Volltext: Geschichte des Steirischen K. u. K. Infanterie-Regimentes Nr. 27 Band II (II. / 1937)

Dem am 6. Juni nachmittags gut vorbereiteten Angriffe auf den Mt. Lemerle 
blieb aber trotz zäher Bemühungen der angreifenden Truppen ein durchgreifender 
Erfolg versagt. Die Artillerie hatte gegen die versteckten Waldstellungen keine 
entscheidende Wirkung zu erzielen vermocht. Am 7. Juni gelang zwar die Ersteigung 
des Nordwesthanges des Mt. Kaberlaba, aber die Spitze des Berges blieb, gleich 
wie tagszuvor der Gipfel des Mt. Lemerle, in Feindeshand. Dagegen nahmen am 
8. Juni die drei Feldjägerbataillone der 12. IBrig. (FIB. 7, 9, 22) mit stürmender 
Hand den Mt. Sisemol. Die 18. IBrig. der 22. LID., deren linker Flügel im 
Anschlüsse an die 6. ID. bis an die Mielaschlucht vorgeschoben war, eroberte die 
Höhen bei Stensle, kam aber vor der feindlichen Hauptstellung Xaibena—Mt. di 
Bal Bella zum Stehen. 
Gleichwohl hatten die Kämpfe der letzten Tage gelehrt, daß zu einem durch¬ 
schlagenden Erfolge, wegen der hiezu unerläßlichen Vereinigung stärkster Artillerie¬ 
wirkung, nur immer ein Teil der feindlichen Front angegriffen werden könne. So 
wurden die Angriffe zunächst eingestellt. Die Blicke des 3. AK. wandten sich dem 
Westslügel zu, wo die zu überwindende Waldzone am schmälsten war K 
In der Nacht zum 10. Juni brachte binnen einer knappen halben Stunde ein 
Handstreich den heiß umstrittenen Mt. Lemerle in die Hände der Stürmenden. 
Nahe winkt die ersehnte venetianische Ebene. Zum letzten tödlichen Stoß, der 
das Tor gegen Süden durchbricht, muß nun ausgeholt werden. Da fällt ein 
Stärkerer in den erhobenen Arm: der Moskowiter. 
Dunkle Gerüchte schwirren an die Bergfront, ballen sich zusammen. Noch kennt 
sie nicht die Wahrheit. Etwas Unfaßbares soll geschehen sein; weitab in Rußland 
sei die Front vom neu erstarkten Moskowiter in Trümmer geschlagen. Nur vage 
Nachrichten kommen aus den Telephonzellen, aus dem Trainbereiche. 
Aber die fürchterliche Wendung war jählings eingetreten. „Es ist die Zeit 
gekommen, den ehrlosen Feind zu vertreiben. Alle Armeen unserer Front greifen 
gleichzeitig an. Ich bin überzeugt, daß unsere eiserne Armee den vollen Sieg 
erringen wird...", also rief Brussilow in einem am 4. Juni frühmorgens als 
Funkspruch erlassenen, von uns mitgelesenen Heeresbefehle seinen Soldaten zu. 
Monatelang haben die Vorbereitungen zu dieser ungeheuren Krastanstrengung 
gedauert. Was die Entente an Rüstzeug ansbringen konnte, gab sie den Russen 
in die Hand. 
Am 4. Juni morgens brach ein Feuersturm los, wie er im Osten noch nie getobt 
hatte. In Bälde waren die Stellungen des Verteidigers, den der Ansturm nicht 
überraschend traf, in Qualm und Staub gehüllt. Eine Durchbruchsschlacht größten 
Stils hatte ihren besonders von den Italienern heiß ersehnten Ansang genommen. 
Weite Tore wurden aufgerissen, durch die sich die braunen Fluten wälzten. Am 
Abend des sechsten Tages der unglücklichen Schlacht in Wolhynien klaffte in der 
Ostfront bei Otyka—Lucs* eine Riesenbresche von 85 Km Länge und 48 Km Tiefe. 
Der Südflügel der öst.-ung. 4. Armee hatte schwerste Verluste an Mann und 
Gerät erlitten. Als die verbündeten Heeresleitungen Vorbereitungen trafen, um 
die schwere Krise in Wolhynien zu überwinden, siel der zweite Keulenschlag: am 
10. Juni zerbrach die öst.-ung. Front südlich vom Dniester. In Ostgalizien und 
in der Bukowina drückte jedoch ein Geländeverlust weit schwerer als in Wol- 
* Österreich-Ungarns Letzter Krieg, IV., 338. 
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