Volltext: Geschichte des Steirischen K. u. K. Infanterie-Regimentes Nr. 27 Band I (I. / 1937)

Kampf mit Kosaken bei Sokolniki 
(3. September 1914) 
Skizze 5 
Von den vom Regimente bei Sokolniki gestellten Hauptposten war die 4. Komp., 
Hptm. Wilhelm v. Lunzer, nicht zum Regimente gestoßen. Die vom I. BaonsKmdo. 
mehrfach eingeleiteten Versuche, dem Hauptposten den Rückzugsbefehl zukommen 
zu lassen, blieben — was unbegreiflich erscheinen mag — vergeblich. 
So blieb denn tatsächlich das Kompagniekommando ohne Nachricht über den 
erfolgenden allgemeinen Rückzug hinter die Grödeker Teichlinie. 
Wohl hatten Hptm. v. Lunzer und seine Offiziere im Laufe des Nachmittags des 
2. September weiter nördlich rückgängige Bewegung eigener Truppen beobachtet, 
allein aus diesen nicht den unbedingten Eindruck eines allgemeinen Rückzuges 
gewonnen. 
So wurde denn, getreu der Devise: Ohne Befehl kein Verlassen des Postens, 
weiter ausgeharrt. Die Nacht auf den 3. September verlief ruhig. Auf alle Fälle — 
das muß offen bekannt werden — scheint die Verbindung zu den Nachbarhaupt¬ 
posten wie auch zum BaonsKmdo. nachtsüber nicht klaglos funktioniert zu haben. 
Der Morgen des 3. September brach an. Nach und nach hatte sich doch das 
Gefühl der Verlassenheit bei Führer und Mannschaften eingestellt. Noch hatte sich 
dieses Empfinden nicht bis zum Rückzugsentschlusse durchgesetzt, als der Russe schon 
unverhüllt seine Absichten erkennen ließ. 
Aus den gegenüberliegenden Waldungen quoll, einem Lavastrome gleich, sich 
langsam vorschiebend, die Russenflut. Aus den Kämmen der langgestreckten Hügel¬ 
ketten tauchten im Grau des nebelverhangenen Morgens russische Schützenlinien, 
mehrfach gestaffelt, auf. Es war nun vollends klar: der Russe hatte im Lemberger 
Raume ansehnliche Kräfte in Bewegung gesetzt. Noch war er von dem einsam 
verlassenen 27er-Häuflein weit entfernt. 
Mittlerweile war auch der Abzug der eigenen Kräfte vollends zur Gewißheit 
geworden. Feldw. Wobejda war von der Suche nach dem eigenen Bataillon unver¬ 
richteter Dinge zurückgekehrt. Rasch waren die Feldwachen eingezogen, der Zug 
des Lt. i. d. R. Walenta als Nachhutschleier aus der Linie des Rückzuges — allge¬ 
meine Richtung West, Ziel Grödek — beordert. 
Von der heranbrandenden, noch weitab liegenden Infanteriewoge war nichts 
zu befürchten. Hptm. v. Lunzer weist alle Züge an, zur Täuschung des Gegners in 
weit ausgedehnten Linien mit „20 Schritten Plänklerabstand" den Rückzug anzu¬ 
treten. Dieser Entschluß entsprang auch der Erkenntnis, daß bei eintretendem 
Schußlichte sicherlich mit feindlichem Artillerieseuer zu rechnen war. Die nächsten 
Minuten sollten diese Vorahnung des Kompagnieführers bestätigen. 
Als die 27er eben im Begriffe waren, die lockere Schützenkette anzunehmen, 
fausten die ersten Schrapnellgarben über die Kompagnie. Die moskowitischen 
Kanoniere hatten unsere Leute entdeckt. 
Nun ging es eilends zurück, da auch heftiges Maschinengewehrfeuer einsetzte 
und eine Abwehr der Übermacht gegenüber aussichtslos erschien. Die Annahme 
des befohlenen Plänklerabstandes war in diesem unter moralischem Drucke stehenden 
Augenblicke zunächst ausgeschlossen. Instinktiv suchte alles der gefährdeten Zone zu 
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