Volltext: Geschichte des Steirischen K. u. K. Infanterie-Regimentes Nr. 27 Band I (I. / 1937)

ungeschmälerte Besitz dieses Eckpfeilers der Karsthochfläche von Doberdö das Schick¬ 
sal jeder Schlacht entscheidet. Wer diesen Berg in Händen hat, ist Sieger. Jedem 
Streiter, der zum erstenmal den Fuß auf die slachgewölbten beiden Kuppen dieses 
heißumstrittenen Berges setzte, mußte diese Erkenntnis sinnfällig in Erscheinung 
treten. 
Zu Füßen des Mt. S. Michele breitete sich die Isonzolandschaft aus. Der Blick 
haftet auf dem nahe liegenden Gradisea mit der kastellartigen Strafanstalt, von 
Sagrado durch den Isonzofluß getrennt, der sich durch weitgestreckte Auen, von 
Sandbänken durchsetzt, windet. Zwischen Gradisea und Görz der jenseits des Isonzo 
aufragende Mt. Fortin, von den Italienern zu einem feuerspeienden Bollwerke 
ausgestattet. Und zur Linken, schon nahe an das schmale Band des Judrioflusies 
gerückt, längs dessen die Reichsgrenze verlief, der Mt. Medea, herausragend aus 
der mit Ortschaften sonder Zahl reich besiedelten Landschaft, in der sich Wein¬ 
garten an Weingarten reiht. Weithin.in das schier raumlose, hochkultivierte ober¬ 
italienische Tiefland greift der Blick. Er umfängt auch das zerrissene Bergland¬ 
gebiet des Coglio, dessen verwirrende Formen sich nördlich Straße und Bahn 
Cormons—Görz erheben; er verweilt an der Ifonzoenge von Salcano, wo der 
heißbegehrte Mt. Sabotino zur Linken, die Steilhänge des späteren Blutberges, 
des Mt. S. Gabriele, zur Rechten jäh an die Ufer des Schicksalsstroms heran¬ 
treten. Die sonst so reizvolle Görzer Landschaft, jetzt schwer getroffen und von 
Regenböen durchfegt, liegt zu Füßen; zur Rechten das in friedloser Zeit gott¬ 
gesegnete Wippachtal mit seinen nun zum großen Teil wundgeschossenen Ort¬ 
schaften und Weilern. 
Und jeder Beschauer mußte zur Erkenntnis kommen, daß trotz aller hohen 
Blutopfer innerhalb von sieden Monaten der Feind sich einen wahrhaft kümmer¬ 
lichen Raumgewinn erkämpft hatte, daß es aber andrerseits für den Verteidiger 
kein Zurück gebe. „Die übernommenen Stellungen sind zu halten; gehen sie ver¬ 
loren, so müssen sie ehestens zurückerobert werden; es darf dem Feinde keine 
Zeit bleiben, sich in unsere Stellungen einzuleben und einzunisten", so gemahnte 
das 6. IDKmdo. alle Truppen an ihre Pflicht. Aber auch einem anderen Grund¬ 
sätze ihres Führers hatte die Ifonzoarmee zu dienen, und jeder Ifonzokämpfer 
hatte an jenem Werke zu schaffen, das ihn ganz erfüllen sollte: den unbarmher¬ 
zigen Boden zu bezwingen, sich an ihm festzukrallen, koste es, was es wolle. Denn 
bitterste Rot hatte diesen teuflischen Boden zum Schauplatze eines heroischen 
Ringens gemacht. Lag auch alles Kommende im Zwielicht des Ungewissen, eines 
stand fest: daß jede weitere Schlacht einen gesteigerten Einsatz an Mann und 
Material bringen wird und damit auch einen größeren Umfang der Verluste, ein 
erhöhteres Ausmaß all der fürchterlichen Leiden. Italien schöpfte noch aus dem 
Vollen, feine lebendigen Kräfte waren noch lange nicht verbraucht; der Zustrom 
aus den Hilfsquellen Englands und Amerikas floß reichlich. 
In den vier Schlachten des Jahres 1915 mußte der Verteidiger immer wieder 
aus seiner „Kampslinie" hinaus ins freie Karstgelände, ein Kampfverfahren, das 
in ein Meer von Blut führte. Hierin sollte nun endlich jene große Atempause, 
die man in dem zur Neige gehenden Jahre vergeblich erhofft hatte, Wandel 
schaffen. Jetzt muß dieses göttliche Geschenk genutzt werden. 
Und so gehen denn die Truppen der Ifonzoarmee ungesäumt ans Werk, ihre 
bisherigen „Kampflinien" zu wirklichen „Stellungen" auszubauen. Jeder Isonzo- 
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