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Immer näher rückte die Stunde des Scheidens aus dem Bereiche der 3. Armee,
deren wechselvollen Schicksalsweg das Regiment seit Kriegsbeginn geschritten
war. Nun ging es einer noch dunklen Zukunft entgegen. Unerfüllt waren die
Hoffnungen tätiger Teilnahme an dem Siegeszuge der Verbündeten in West- und
Mittelgalizien geblieben. Neue Hoffnungen stiegen auf. Der Glaube an eine Fahrt
nach dem Süden, wo ein neuer Feind im Begriffe war aufzustehen, war fast
allgemein K
Aber. auch diese Hoffnung mußte sichtlicher Enttäuschung weichen. Es ging
unwiderruflich ostwärts. Im Laufe des 10. und 11. Mai vollzog sich der zum Teil
stark verzögerte Abtransport der fünf Staffeln des Regimentes.
Es trennte sich auch von feinem Brigadier, GM. Fernengel, der am 12. Mai
zur Übernahme eines Kommandos an der Kärntner Front abberufen wurde.
Überaus treffend würdigt die 47er-Regimentsgefchichte die großen Verdienste
dieses hervorragenden Brigadeführers: „Stets ruhige Besonnenheit bewahrend,
erwies sich GM. Fernengel auch den kritischesten Situationen, wie sie sich in den
wechselvollen schweren Schlachten bei Lemberg und Grödek, beim Durchbruch bei
Dujawa und der durch die Wasfenstreckung der 28er geschaffenen Lage ergaben,
ausnahmslos gewachsen. Seine klaren, bestimmten Befehle, basiert aus eine vor¬
sichtig erwägende Urteilskraft und zutreffende Erfassung sowie Anpassung an die
jeweilige Gefechtssituation, schufen in der Truppe ein Gefühl der Sicherheit und
das beruhigende Bewußtsein, in dem General wirklich einen Führer zu besitzen" -.
Sollte das Ständchen, das am 6. Mai abends die 27er-Sängerriege dem hoch¬
verehrten General in Folföodor brachte, leise Vorahnung gewesen sein? Aber es
war kein Abschied für immer. Nur wenige Monate sollten vergehen, bis die 27er
wieder der bewährten Führerschaft dieses den Alplergeist hochschätzenden Generals
anvertraut wurden.
In dem sicheren Gefühle einer baldigen Wiedervereinigung rüsteten sich die
einzelnen Staffeln für ihre Fahrt ins Ungewisse.
Sollte auch hierin die Zukunft eine Enttäuschung bringen...?
Die Lage bei der 7. Armee55
Skizze 42
Die Stawka hatte die Untätigkeit der 9. Armee mit wachsender Ungeduld
und steigendem Unbehagen verfolgt. Am 6. Mai hatte Iwanow an den Armee¬
führer, General Letschitzki, der sich nach wie vor auf den drückenden Munitions¬
mangel berief, einen geharnischten Befehl ergehen lassen, endlich die Offensive
zu ergreifen.
1 Die Heeresleitung hatte zuerst die Absicht, das aus alpenländischen Truppen bestehende
HI. Korps an die italienische Front zu senden, kam aber im Hinblicke auf die Lage bei der
Armee Pflanzer-Baltin hievon ab (Österreich-Ungarns Letzter Krieg, II-, 349, Anmerkung).
^ 47er-Regimentsgeschichte, 248.
3 Österreich-Ungarns Letzter Krieg, II., 341, 346, 359 bis 361. Die zusammengefaßte Schil¬
derung der Ereignisse an der ostgalizischen Front in der zweiten Maiwoche bis zum Eintreffen
des Regimentes ist für das volle Verständnis und für die richtige Wertung der unmittelbar
anschließenden Begebenheiten um so unerläßlicher, als das Regiment in hervorragendem, an
einer Kampfaktion (Kolomeaschlacht) in ausschlaggebendem Maße beteiligt ist.
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