Volltext: Geschichte des Steirischen K. u. K. Infanterie-Regimentes Nr. 27 Band I (I. / 1937)

Grundlegender Gedanke aller in einem Mehrfrontenkrieg von den verbündeten 
Mittelmächten in erster Linie zu ergreifenden Maßnahmen war, daß Deutschland 
am Kriegsbeginne zur Erzwingung einer raschen, vollen Entscheidung seine ganze 
Streitmacht nach dem Westen werfen werde, während Österreich-Ungarns Heer den 
Rücken Deutschlands gegenüber dem moskowitischen Andränge so lange zu decken 
hatte, bis auch Deutschland sich mit starken Kräften gegen das Zarenreich wenden 
konnte. 
Deutschland beschränkte sich demnach auf den unmittelbaren Schutz des weit ins 
Russische vorspringenden Ostpreußen durch die 8. Armee; die Deckung Schlesiens 
übernahm das deutsche Landwehrkorps G. d. I. v. Woyrsch. 
Das Zarenreich konnte, da die Unruhen im Inneren ausblieben und auch seine 
asiatischen Grenzen nicht bedroht waren, seine ganze ungeheure, fünf Millionen 
Streiter zählende Heeresmacht gegen die bedrohten Mittelmächte werfen. Nicht 
allein die europäischen, sondern auch die turkestanischen, kaukasischen Korps, über¬ 
dies wegen Japans Haltung auch alle sibirischen Korps wurden an die Westgrenze 
des Reiches gebracht. Das russische Heer hatte sich nach dem Kriege mit Japan 
ziemlich rasch erholt. Sollte auch die russische Heeresreform, unterstützt durch den 
französischen Verbündeten, erst Ende 1916 zum Abschlüsse gebracht werden, so war 
das Zarenheer schon im Jahre 1914 ein überaus achtunggebietendes Kriegswerkzeug. 
Nach den Plänen der russischen Heeresleitung, „Stawka" genannt, sollte sich ein 
Nordwestheer (2 Armeen) unter Gen. Schilinski und ein Südwestheer (4 Armeen) 
unter Gen. Iwanow „wie zwei Hände, die sich zur Faust ballen wollen, um die 
Bastionen von Ostpreußen und Ostgalizien legen. Erst wenn diese Bastionen — 
oder doch wenigstens die südliche der beiden — eingerissen waren, sollte dem 
französischen Sehnen entsprochen und über Warschau der Vormarsch ins Herz 
Deutschlands angetreten werden. Je eine Flügelarmee, die 7. und die 6., waren 
einerseits zur Deckung der Schwarzen-Meer-Küste und gegen Rumänien, anderer¬ 
seits zur Sicherung von Petersburg und Finnland ausgeschieden1 2.“ 
Der Winkelriedrolle Österreich-Ungarns kam Rußlands Generalissimus, Gro߬ 
fürst Nikolai Nikolajewitsch, dadurch entgegen, daß er gegenüber den wiederholten 
Forderungen des französischen Generalstabes, die sofort verfügbare Masse des 
Zarenheeres nicht gegen den Donaustaat, sondern gegen das Deutsche Reich als 
den Hauptgegner anzusetzen, taub blieb. 
Der große Plan des russischen Generalstabes ging darauf hinaus, die in Ost- 
galizien aufmarschierenden gegnerischen Streitkräfte durch umfassenden Angriff 
vernichtend zu schlagen und ihren Rückzug in westlicher Richtung auf Krakau und 
ein Ausweichen nach Süden hinter den Dniester zu verhindernd 
Schier übermenschlich war die Last der Verantwortung, die der Chef des General- 
stabes, G. d. I. Freih. Conrad v. Hötzendorf, auf sich genommen hatte. Die Hoff¬ 
nungen, daß der Diplomatie das Werk einer Beschränkung des Krieges auf 
Österreich-Ungarn und Serbien gelingen würde, hatten sich nicht erfüllt. Rußland 
hatte die teilweise Mobilisierung der Doppelmonarchie mit der allgemeinen Mobil¬ 
machung seines gewaltigen Heeres beantwortet. Conrad hatte am 1. August den 
unbeugsamen Entschluß gefaßt, sich mit ganzer Kraft ohne Säumen gegen Rußland 
zu werfen, vermochte aber eine glatte Durchführung dieses Entschlusses unter allen 
1 Österreich-Ungarns Letzter Krieg, I., 175. 
2 Österreich-Ungarns Letzter Krieg, l., 177.
	        
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