Volltext: Geschichte des Steirischen K. u. K. Infanterie-Regimentes Nr. 27 Band I (I. / 1937)

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Da des Russen Angriffsgelüste nach der mißlungenen Attacke gänzlich geschwunden 
sind, wird das Bataillon Sieg! wieder zurückberufen, ohne daß es zu einer Kampfaktion 
gekommen war. Am Överseetage zieht um 8 Uhr morgens das Bataillon nach diesem 
von manch schwerer Mühsal begleiteten „Ausfluge" in „die Stadt am Sieg!" ein. 
Ein anschauliches Bild gibt Hptm. Wilhelm v. Lunzers Erinnerungsschilderung, 
die nicht nur in die Lage des Nachbarabschnittes, sondern auch in die rauhe 
Wirklichkeitswelt des Krieges hineinleuchtet: 
„Ein unförmlich vermummter Gruppenkommandant orientierte mich lediglich dahin, daß 
die eigenen Linien am feindwärtigen Hange äußerst schütter seien, sehr dürftig eingegraben, 
meist hinter Schneedeckungen — brav, aber abgekämpft, ermattet. Verstärkung komme recht 
erwünscht, gerade vor ihm sei die Front besonders schütter; Boten könne er nicht mitgeben, 
aber der Weg sei nicht zu verfehlen, in zehn Minuten führe er in die eigene Linie. 
Wir marschieren einzeln abgefallen, in langem Zuge, in der stockfinsteren Nacht. Kein 
Schuß. Nach etwa zehn Minuten teilt sich der Einzelpfad in drei Pfade. Wir waren schon 
tiefer abgestiegen, todmüde, schlaftrunken. Umkehren? Nochmals fragen? Eine bessere Orien¬ 
tierung würde ja doch nicht zu erlangen sein. Im übrigen müssen wir gleich in der „Stellung'' 
sein. So geht es weiter, etwa eine Viertelstunde. Da durchzuckt uns der Gedanke: Sind wir, 
bei der Dünnheit unserer Linie nicht ausgeschlossen, durch unsere und durch die wohl ebenso 
schüttere Linie der Russen etwa gar durchmarschiert? Da hörten wir zum Glücke deutsche 
Laute, Fluche! Bald stießen wir endlich auf die .Stellung'. Ich kroch zum Kompagniekom¬ 
mandanten, der einsam, weit rechts und links die nächsten seiner Leute, in einer Schnee¬ 
deckung fror. Beim letzten Schlucke Schnaps, den ich ihm noch geben konnte, und bei einer 
resignierten Zigarette orientierte er mich dahin, daß nichts zu orientieren sei! .Dünn, dünn, 
dünn! Schwerster Kampftag, große Verluste! Russen zahlenmäßig gewaltig überlegen. Um 
wie viel? Wer weiß es? Jetzt im Schnee herumstolpern und den auch halberfrorenen Russen 
zu Schrecksalven veranlassen, habe keinen Sinn. Am besten bleiben, wo wir sind. Am Morgen, 
der nicht mehr fern, werde man ja sehen!' Grundstimmung: tapfer, resigniert, fatalistisch? 
Ich sah, daß jetzt nicht viel zu machen sei, gruppierte die Kompagnie. Bei mir sollte 
wenigstens nicht durchgebrochen werden! In einer Stunde sollte man mich wecken. Todmüde, 
erschöpft, an den braven Leutnant gedrängt, schlief ich in fünf Minuten wie ein Sack. 
Plötzlich wildes Gewehr- und Maschinengewehrfeuer. Feuerschein! Von derben Bauernfäusten 
werde ich aufgerissen, in den Schnee geworfen. Unsere .Schneedeckung' hatte Feuer gefangen, 
brannte lichterloh. Die Russen schossen wie irrsinnig darauf. Wir warfen uns möglichst weit 
vom Feuer in den Schnee. Das Feuer brannte ab. Totenstille. Freund und Feind erschöpft. Als 
es Heller wurde, kam die Meldung: .Russen greifen an!' Na schön! .Erst schießen, bis ihr das 
Weiße im Auge seht!' 
Sie griffen nicht an — ergaben sich! Hatten früher genug als wir!..." 
Der Mißerfolg des Ansturmes gegen den Kastelik vrch lähmte für die folgenden 
Wochen die russischen Infanterieangriffe. Um so herrischer beherrschte die Feind¬ 
artillerie die Kampfarena. Sie wählte sich am 8. Februar den knapp hinter der 8.2. 
27er-Front liegenden Ort Biharo zum Ziel ihrer planmäßigen Beschießung, die sich 
eines äußerst wirksamen Mittels bediente, das im steten Wechsel von Schwer¬ 
granaten- und Schrapnellagen seinen erbarmungslosen Vernichtungsdrang kundtat. 
Der 800 Einwohner zählende, mehr als 2000 Mann und 800 Pferde, vier Batterien, 
zwei Arbeiterabteilungen, eine Halbkompagnie Sappeure und sämtliche Fahr- 
kllchen der Truppen der 56. IBrig. und der Artillerie beherbergende Ort bot ja 
der aus ihren schwer faßbaren Höhenstellungen feuernden Feindartillerie ein 
unleugbar willkommenes Fernziel. Nebst einigen in Brand geschossenen Häusern 
wurde auch das Schulhaus, das Standquartier des 56. IBrigKmdos., mit zwei 
Volltreffern bedacht, denen ein tödlich getroffener Mann und vier schwer Verwundete 
zum Opfer sielen. Die noch abends vom Divisionskommando verfügte Verlegung 
des schwer gefährdeten 56. IBrigKmdos., der ständigen Brigadereserve und des 
gesamten Gesechtstrains nach Komlospatak war die naheliegende Auswirkung 
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