Volltext: Geschichte des Steirischen K. u. K. Infanterie-Regimentes Nr. 27 Band I (I. / 1937)

Der Sommerfeldzug 1914 
Die Mobilisierung 
Der Meuchelmord von Sarajevo hatte Österreich-Ungarns Völker und sein Heer 
eines tatkräftigen, zielbewußten Führers beraubt, dem man die Willenskraft und 
auch die Fähigkeit zumaß, durch erfolgreiche Lösung des österreichischen Problems 
die Großmachtstellung der Donaumonarchie fest zu untermauern. In dem Attentate 
allein lag schon eine Kriegsvorbereitung, wie sie wirkungsvoller kaum geplant und 
durchgeführt werden konnte. 
Mächtig schwoll das natürliche Rachegefühl aller Stämme des Habsburgerreiches 
an und forderte Sühne für das fluchwürdige Verbrechen. Der Schrei nach Abrechnung 
mit dem Störenfried jenseits der Donau-Save war in allen Gauen des Reiches 
hörbar. Der feit Jahren andauernden Unsicherheit, die sich auch nach der wirtschaft¬ 
lichen Seite hin ungünstig auswirkte, sollte ein Ende gefetzt werden. 
Die durch den Fürstenmord hervorgerufene Entrüstung stand im Gegensatze zu 
dem stillen Verhalten der verantwortlichen Stellen, denen die Gefahren des 
drohenden Weltbrandes vor Augen schwebten. Woche um Woche verrann. Die lange 
Frist, die Österreich-Ungarn verstreichen ließ, bevor es gegen Serbien vorging, 
verhalf den Ententemächten zur Sammlung ihrer Kräfte. 
Da mannigfache, von den Mördern nach dem Königreiche Serbien hinüber¬ 
führende Fäden bloßgelegt worden waren, überreichte am 23. Juli, nahezu vier 
Wochen nach Franz Ferdinands Tod, der k. u. k. Gesandte in Belgrad der serbischen 
Regierung eine auf achtundvierzig Stunden befristete Note, die den Serben den 
Bruch des am 31. März 1909 gegebenen Versprechens guter Nachbarschaft vorwarf 
und eine Reihe strenger Forderungen stellte. Das Ultimatum wurde durch irgendeine 
militärische Maßregel nicht begleitet, um bei den gegnerisch gesinnten Mächten 
keinen Anstoß zu erregen. 
Die Antwort, die Serbien zwei Tage später, am 25. Juli (Samstag) knapp vor 
sechs Uhr abends, überreichte, war äußerst geschickt abgefaßt. Ihre teils offenen, teils 
hinterhältig versteckten Vorbehalte nahmen ihr im Grunde jeden Wert. 
Kaiser Franz Joseph setzte noch am Abende des 25. Juli nicht leichten Herzens 
seine Unterschrift unter den Befehl zur Mobilmachung der für den Kriegsfall 
Balkan unter die Waffen zu rufenden Streitkräfte. 
Belgrad hatte von allem Anbeginne nicht damit gerechnet, Wien zufrieden¬ 
zustellen. Der Beweis hiefür lag in der Tatsache, daß drei Stunden vor Überreichung 
der Antwortnote Serbien mobil gemacht hatte. Seine Haltung fand Stütze am 
Zarenreiche, das seine eigenen Balkanpläne zu verwirklichen gedachte. Mochte auch 
die drängende Not der Stunde ein sofortiges, möglichst starkes Aufgebot des Donau¬ 
reiches gegen Rußland erfordern, so widerrieten politische Rücksichten einem der¬ 
artigen Vorgehen. Auch ließ Rußlands Verhalten in diesen Stunden die Möglichkeit 
eines kurzen, aber entscheidungsvollen Schlages gegen die serbische Armee erhoffen, 
bevor das Zarenreich als offener Gegner auftrat. 
Die Verantwortung, die das Habsburgerreich durch das moralisch gewiß vollauf 
berechtigte Vorgehen gegen Serbien aus sich genommen hatte, war ohnehin schon 
schwer genug. Wenn es sich nun ohne weiteres Besinnen gegen Rußland gewandt 
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