Volltext: Geschichte des Steirischen K. u. K. Infanterie-Regimentes Nr. 27 Band I (I. / 1937)

Um 4 Uhr nachmittags schlägt die Aufbruchsstunde in Dynöw, dem von Kosaken 
zwei Wochen hindurch heimgesuchten Städtchen am San. Das Regiment, Vorhut 
der 28. ID., schloß an das IX. Korps an, das nach Erreichen von Dubiecko gegen 
Nordost abbog, so daß das Regiment im weiteren Verlaufe die Korpstete bildet. 
Ein quälender Marsch aus maltraitierter Straße, auf der Mensch und Roß 
nebeneinander sich vorwärtsschieben. Ein schlammiger Brei zermürbt erbarmungslos 
das Schuhwerk, das kaum noch diese anspruchsvolle Bezeichnung verdient, steigert 
die Zahl der die endlose, kotüberkrustete Menschenwalze verlassenden, in den 
Straßengräben hinsinkenden Männer. Stunde aus Stunde windet sich diese Riesen¬ 
schlange dahin. 
Endlich, gegen 2 Uhr morgens, nach zehnstündiger Marschqual, ist das Ziel 
erreicht. Es ist Krzywcza, ein armseliger Ort am San, an der Przemysler Straße, 
an die 20 km westlich der Festung. Aber für die beiden Vortrabbataillone gibt es 
keine Rast. Weiter ostwärts geht es auf der Straße, die das III. Baon. quer über 
eine Höhe 2 km östlich des Ortes sperrt. Das I. Baon., eng massiert, dahinter. In 
Krzywcza kantoniert nur das II. Baon., das seit 8. Oktober nach der Erkrankung 
des Mjr. Siegl von Hptm. Strobl geführt wird, mit der Regimentspionier- und 
Telephonabteilung. Das IV. Baon. biegt noch nordostwärts zum Meierhose bei 
Wola Krzywiecka ab, wo es nach 3 Uhr früh landet, gefolgt vom gleichfalls 
erschöpften II./47. Baon., von dem mehr als die Hälfte zurückgeblieben, übel setzt 
die stürmische Regennacht den beiden auf offener Straße ohne jeglichen Schutz die 
Sicherung besorgenden Bataillonen zu. Zum Glücke spenden die Fahrküchen heißen 
Trank. Vom Feinde nichts zu sehen, nichts zu hören. Nachrichten wollen wissen, der 
Russe wäre schon aus dem Bereiche der Festung gegen Iaroslau gewichen. Um 8 Uhr 10.10. 
morgens des 10. Oktober werden die Vorposten eingezogen, und eine Stunde 
später geht es wieder drauflos, von Krzywcza nordostwärts durch nebelver¬ 
hangenes, waldiges Hllgelgelände gegen Rokietniea, auf morastigem Waldwege, 
der in einer Gefahren bergenden Steile den Bukowy Garb (Kote 426) erklimmt. 
Artillerie und Train stecken in dieser gottverlassenen Wegsteile. Die Kameraden 
des todmüden Fußvolkes sind hilfreich daran, Geschütz und Fuhrwerk aus dem 
Morastschlauch über die teuflische Höhe, die sich Mensch und Tier entgegenstemmt, 
zu ziehen. Obwohl die Artillerie versuchte, geschützweise mit je zwölf Pferden vor¬ 
wärtszukommen, war alle Mühe umsonst, die Geschütze über die Höhe zu bringen. 
Artillerie und Trains suchen diesem verruchten Walde zu entfliehen und holen 
nordwärts über Wegierka aus. Aber unter unsäglichen Mühen: es vergeht der 
ganze 10., der Großteil des 11. Oktober, bis wenigstens die Artillerie flott¬ 
gemacht ist. 
Der Regimentstrain mit den Fahrkllchen unter Führung des ProvOfszGehilfen 
Plesko, der gleich allen anderen Truppentrains über ausdrücklichen Befehl des 
Korpskommandanten der Artillerie Platz machen mußte, erreicht erst am 12. Ok¬ 
tober gegen 7 Uhr abends Rokietniea, zu einer Zeit, als das Regiment bereits bei 
Radymno am San angelangt war und Quartiere in Oströw bezog. 
Dieser übergroßen Anstrengung von Mensch und Tier waren sich die höheren 
Kommanden vollauf bewußt. Kam es doch aus ein unaufhaltsames Vorgehen des 
Nordflllgels der 3. Armee an, um den abziehenden Feind noch zu fasten und ihm 
womöglich den Rückzug über den Sanfluß abzuschneiden und durch raschen Zugriff 
sich der Sanbrücken bei Iaroslau, Radymno zu bemächtigen. 
105
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.