Volltext: Hermann Stegemanns Geschichte des Krieges. Vierter Band. (4 ; 1921)

84 Der Feldzug im Osten vom 14. Nov. 1915 bis 31. Aug. 1916 
ziehen von Verstärkungen aus nicht angegriffenen Abschnitten zu verstärken. 
Alexejew nannte das „l’enfance de l’art“ und wies auf die Überlegenheit des 
russischen Leeres an Streitern und Streitmitteln hin, eine Äberlegenheit, 
die so groß war, daß überall mit Abermacht angegriffen werden konnte. 
Sobald die Klingen im Kreuz lagen und der Feind auf der ganzen Linie 
gebunden war, sollten dann die bereit gehaltenen Massen an bestimmten 
Druckpunkten vorbrechen und das Gefüge der Verteidigung zertrümmern. 
Mitau, Wilna, Slonim im Norden, Kowel, Lemberg, Kolomea im Süden 
waren die idealen geographischen Ziele der Offensive, das strategische Ziel 
aber das Vernichten großer Leereskräfte und daraus sich ergebend der Zu- 
sammenbruch der Front. 
Auch ein politisches Ziel tauchte aus Alexejews Plänen: die Auspeit¬ 
schung Rumäniens zum Eintritt in den Krieg. Daß Rumänien zum Kriege 
auf der Seite Rußlands und der Westmächte willig war, war nach dem An¬ 
schluß Bulgariens an die Mittelmächte nicht mehr zu bezweifeln. Aber die 
Rumänen zögerten. Sie forderten mit Recht gesicherte Anlehnung ihrer 
rechten Flanke an ein siegreiches russisches Leer und Ausbau Salonikis zu 
einer Offensivbasis, bevor sie sich in das blutige Spiel warfen. Standen die 
Russen wieder im Moldautal und vor den Pässen der Waldkarpathen und 
General Sarrail vor der bulgarischen Südgrenze zum Angriff bereit, so war 
Rumänien in der Lage loszuschlagen. Es galt, diese Voraussetzungen zu 
schaffen, ehe der Sommer schied, und dann vereint in Angarn einzudringen 
und Nikolai Nikolajewitschs Traum, den Einzug in Budapest, im Lerbst 
des Jahres 1916 zu verwirklichen. 
Das russische Leer war zu Beginn der Offensive mit etwa 2 240 000 
Mann zum Kampf bereit. Davon standen etwa 1 590 000 Mann nördlich 
und 650 000 Mann südlich des Pripjetstromes. Lindenburg und Leopold 
hatten dem russischen Massenaufgebot, das vor ihren Linien versammelt war, 
etwa 590000 Mann, darunter 30000 Österreicher und Angarn, entgegen¬ 
zustellen, die eine Front von 600 Kilometern Breite verteidigten. Es stand 
also, schematisch ausgedrückt, Meter für Meter auf deutscher Seite ein Mann, 
während der Russe zwei Glieder tief antreten mrd noch 390 000 Mann in 
Reserve halten konnte. Südlich des Pripjetstromes standen etwa 456 000 
Österreicher und Angarn und 30000 Deutsche 650 000 Russen gegenüber. 
Lier war der Russe also den Verbündeten nur um 164 000 Mann über¬ 
legen. Das war, auf eine Frontbreite von 500 Kilometern berechnet, keine 
große Abermacht. Das Schwergewicht des russischen Aufmarsches zur An¬ 
griffsschlacht lag also drückend auf dem Nordstügel. Im Süden wies die 
Wahl Brussilows auf rücksichtsloses Anpacken. Ihm war nicht umsonst der 
erste Angriff zugedacht, der die ganze österreichisch-ungarische Streitmacht 
fesseln und ins Gedränge bringen sollte, um Conrad zu zwingen, abermals 
deutschen Beistand zu erbitten und dadurch Lindenburgs und Leopolds Front
	        
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