Volltext: Hermann Stegemanns Geschichte des Krieges. Vierter Band. (4 ; 1921)

24. März bis 24. November 1918 
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tritt, ja, daß nicht einmal mit Sicherheit behauptet werden kann, der Abschnitt 
zwischen Oise und Scarpe sei dem Lauptangriff Vorbehalten worden, obwohl es 
heute so aussieht, als hätte die deutsche Leeresleitung wirklich die klassische Naht¬ 
stelle westlich der Oise hiezu ausersehen... 
Wie es scheint, ist die erste englische Linie auf sehr breiter Front genommen 
worden und der Stoß auf vielen Punkten in die zweite eingedrungen, so daß deren 
Zusammenhang gefährdet ist. Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten und 
dabei festzuhalten, daß es sich um eine 80 Kilometer lange Front handelt, die nicht 
überall in gleichem Maße verletzt worden ist, so daß bestimmte Angaben erwartet 
werden muffen, um über die einzelnen Einbrüche ins klare zu kommen. 
Rechts wird der deutsche Angriff durch die flankierend vorgeschobenen Stel¬ 
lungen östlich des Vimyrückens und die nicht umsonst unerschütterlich gehaltene 
Position von Lens gestützt, links empfängt er durch die auf dem Gobainmassiv 
errichtete, feindwärts ziemlich weit hinausgerückte Stellung eine starke Ablehnung. 
Dazu kommt, daß hier die Oise bei weiterem Vorrücken einen gewissen natürlichen 
Flankenschutz gewährt. Ein über Lam und Chauny auf Noyon zielender Angriff 
zerreißt unter Amständen die Naht und ruft englische und französische Reserven 
nach den inneren Flügeln der verbündeten Armeen, schwächt also die äußeren Flügel 
der 650 Kilometer langen Front. Wie weit er gedeiht und ob er durch plötzlich 
aufspringende Vorstöße an anderen Stellen der englischen oder der französischen 
Front näher bestimmt wird, ist die Frage der nächsten Wochen ... 
Zum erstenmal treten die Deutschen im Westen mit zusammengefaßten Kräften 
zum Angriff an, wobei sie auf schwere österreichische Artillerie zählen, die wieder, 
wie in den Augusttagen 1914, auf den westlichen Schlachtfeldern erscheint. Von 
der italienischen Front melden die Berichte so gut wie nichts. Ob es hier zu großen 
Zusammenstößen kommt, wird mit von der Entwicklung an der Westfront abhängen, 
wo jetzt Entscheidungsschlachten entbrannt sind, deren räumliches und zeitliches 
Ausmaß sich heute noch jeder Berechnung entzieht und über deren operative Aus- 
Wirkung erst später geurteilt werden kann. 
Dienstag, 26. März 1918 (Erstes Blatt). 
Der erste Akt der großen Schlachtenfolge im Westen ist nach zweitägiger 
Dauer zu Ende gegangen, ohne daß der Vorhang auf diesem Teile des Kriegs¬ 
theaters gefallen wäre, ohne daß die Kampfhandlung als solche aufgehört hätte, 
ohne daß über die Fortführung der großen deutschen Operation absolute Sicherheit 
geschaffen worden wäre. Die Entwicklung vollzieht sich in dem von uns wiederholt 
aufgezeichneten strategischen Rahmen und gibt zur Eröffnung neuer Perspektiven 
um so weniger Anlaß, als alles auf eine Entscheidungsoperation größten Stiles 
gestellt bleibt, die räumlich und zeitlich die ganze strategische Westfront von Nieu- 
port bis Venedig unmittelbar oder mittelbar ergreifen muß und wird. 
Man darf sich darüber nicht täuschen und darf den dadurch bestimmten Ma߬ 
stab nicht beiseite legen, um den jetzt sichtbar gewordenen Cchlachtakt zwischen 
Sensée und Oise für sich zu betrachten. Freilich ist dieser, was die Frontbreite, 
Vorbereitung und Stoßkraft betrifft, das Gewaltigste, was von deutscher Seite 
bisher in taktischer Zusammenfassung geleistet worden ist; aber wir haben es doch 
nur mit einer Teilerscheinung zu tun, mit einem Anhieb, der gewisse Voraussetzungen
	        
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