Volltext: Hermann Stegemanns Geschichte des Krieges. Vierter Band. (4 ; 1921)

Wvvdrvw Wilson, der Frieden und der Völkerbund 665 
Gefährlichkeit dieser Probleme fand alsbald im gesteigerten Wettrüsten der 
japanischen und der nordamerikanischen Flotte greifbaren Ausdruck. 
Auf die Ordnung der russischen Verhältniffe gewann die Pariser Kon¬ 
ferenz keinen Einfluß. Alle Versuche, mit russischen Emigrantenarmeen 
gegen Moskau zu marschieren, scheitertem Die Verbündeten besaßen nicht 
entfernt die Macht, die zm proletarischen Despotie erstarrende Sowjetrepublik 
ihrem Willen zu unterwerfen. Die Gebiete östlich des Dnjepr bis zur Amur- 
mündung blieben von der gewaltsamen Neuordnung^Europas ausgeschlossen. 
Woodrow Wilson, der Frieden und der Völkerbund 
All das ging unter den Augen und unter der Ägide des Mannes vor sich, 
der das Selbstbestimmungsrecht der Völker, das Nationalitätenprinzip und 
die Freiheit der Meere verkündet hatte. 
Woodrow Wilson hatte sich nicht abhalten lassen, die Reise über den 
Ozean anzutreten und sich als Staatshaupt mit den Ministerpräsidenten 
Lloyd George, Clemenceau und Orlando hinter verschlossenen Türen an 
einen Tisch zu setzen, um die Friedensverträge fettig zu stellen. Aber er 
wurde nicht von dem Gedanken an eine glückliche, zweckmäßige Neuordnung 
des europäischen Kosmos und der Weltverhältnisse und von der Sorge um 
einen Frieden des Rechts und der Gerechtigkeit geleitet, sondern war einzig 
von dem brennenden, sein ganzes Wesen erfüllenden Wunsch behettscht, der 
Welt das Leil zu bringen und ihr ein ewiges Statut in Gestalt seines Völker- 
bundsvettrages aufzuerlegen. Dieser veräußerlichten Idee opfette er die 
realen Forderungen versöhnender Politik. Er vergaß, daß er mit Deutsch¬ 
land einen grundlegenden Schristenwechsel gefühtt hatte, der dem deutschen 
Volke unter bestimmten, von diesem vettrauensvoll erfüllten Vedingungen 
einen gerechten Frieden zugesichert hatte, er verleugnete oder beugte die elemen¬ 
taren Grundsätze, die er in seinen 14 Punkten aufgestellt hatte, und er duldete, 
daß in dem Friedensvettrag eine Vestimmung aufgenommen wurde, die den 
Unterzeichnern den aus dem Friedensschluß von Versailles hervorgehenden 
Besitzstand gewährleistete. Am diesen Preis erkaufte er die Zustimmung 
Englands und Frankreichs zu seinem „Covenant", dem flüchtig entworfenen 
Völkerbundsvertrag, der ihm mehr bedeutete als die zersiötte Welt, und er 
forderte, daß dieser Vettrag mit dem Friedensvertrag zu einem einzigen 
Instrument verbunden werde, um dadmch die Anterschriften der Weltstaaten 
zu erlangen. 
Wilson war schon am 4. Dezember 1918, dem Tage seiner Einschiffung 
«rach Europa, zu solchen Opfern bereit gewesen. Er brachte sie, ohne sich der 
Tragweite seiner Zugeständnisse bewußt zu werdm. Er hatte mit dem 
Präsidenten Wilson, der am 22. Januar 1917 in seiner Botschaft an den
	        
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