Volltext: Hermann Stegemanns Geschichte des Krieges. Vierter Band. (4 ; 1921)

656 Die Feldzüge im Westen und im Orient 
überschritten die Italiener in Staffeln flußabwärts die Piave und drückten 
die aufgesprengte Front in dreitägigen Kämpfen völlig ein. 
Unterdessen schickte die österreichisch-ungarische Leresleitung Parla¬ 
mentäre ins feindliche Lager, um dem Blutvergießen ein Ende zu machen. 
Die Italiener nahmen die Verhandlungen am 30. Oktober auf, ohne die 
Waffen ruhen zu lassen. Bei Velluno, im Monte-Grappa-Gebiet, auf der 
Lochfläche der Sieben Gemeinden, am Tonalepaß und am Stilfser Joch 
wurde immer noch erbittert gekämpft. Der rechte Flügel der angegriffenen 
Front wich am 31. Oktober in Staffeln von Asiago über Levico—Lusern— 
Rovereto aus, die 10. Armee, in deren Front die Tiroler den Boden der 
Leimal verteidigten, harrte kämpfend zwischen Riva und dem Stilfser Joch aus. 
Am Morgen des 3. November befahl die österreichisch-ungarische Leeres¬ 
leitung den Truppen, die Feindseligkeiten einzustellen, die jeden Sinnes 
entbehrten, aber der Italiener hielt sich an den Wortlaut der geschlossenen 
Kapitulation, die den Beginn der Waffenruhe auf den 4. November 3 Ahr 
nachmittags festsetzte, und entfaltete seine Armeen zur allgemeinen Ver¬ 
folgung, um den Feldzug durch einen leichterrungenen Sieg zu krönen. Diaz 
holte Voroevics abziehende Truppen ein, verlegte denWehrlosen denWeg und 
zwang ganze Divisionen zur Übergabe. Er marschierte unbeschossen zwischen 
lagernden Österreichern hindurch und suchte bis zur Stunde des offiziellen 
Waffenstillstandes eine möglichst weit hinausgeschobene Linie zu erreichen, 
um dann alles als gefangen zu erklären, was zwischen seinen Spitzen und der 
alten Front lagerte. So fiel die Kaiserjägerdivision, die die Gewehre bei 
Vielgereuth zusammengesetzt hatte, fiel die 22. Schützendivision am Tonale- 
paß, fielen die 34. Division und die 11. Lonved-Kavalleriedivision, die auf 
dem Rückmarsch schon bei Tolmezzo angekommen waren, in italienische Ge¬ 
fangenschaft. 
Die Italiener rückten auf allen Straßen vor, besetzten am 31. Ok¬ 
tober Feltre, am I. November Belluno, trafen am 3. November in 
Adine ein, nahmen Trient und nannten diese Vermischung von 
Schlacht, Kapitulation und friedlichem Manöver klangfroh den „Sieg 
von Vittorio". 
Als Österreich die Waffen niederlegte, sprangen Deutschlands Süd¬ 
grenzen auf. Noch einmal, nun zum letztenmal, handelte der Deutsche und 
suchte mit ersterbender Kraft und in aussichtsloser Lage Flanke und Rücken 
zu schirmen. Mackensen sammelte die aus der Moldau und aus der Walach ei 
abziehenden Divisionen, um durch Angarn Heimzugclangen, Scholtz bemühte 
sich, am Nordufer der Donau eine Front zu bilden, und Krafft v. Dellmen- 
singen warf sich mit ein paar tausend Mann über München nach Tirol, um 
die bayerische Grenze auf den Tiroler Pässen zu schützen. Es war umsonst. 
Da Österreich und Angarn sich gegenüber der Entente verpflichtet hatten, 
binnen 14 Tagen den Abzug aller deutschen Truppen zu veranlassen und
	        
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