Volltext: Hermann Stegemanns Geschichte des Krieges. Vierter Band. (4 ; 1921)

654 Die Feldzüge im Westen und im Orient 
Am 24. Oktober 1918 enthob Kaiser Wilhelm den Ersten General- 
quartiermeister General Erich Ludendorff seiner Stellung und gab ihm den 
General Groener als Nachfolger. Feldmarschall v. Lindenburg fügte sich in 
soldatischem Gehorsam dem Wechsel, der ihm die kriegerische Flamme von der 
mit ermüdetem Anne mühsam hochgehaltenen, vertropfenden Fackel riß. 
General Ludendorff, Schlieffens größter Schüler, schied vom strategischen 
Brett, als der Krieg bereits verloren war. Wir sehen ihn scheiden, ohne 
ihm Abschiedsworte nachzurufen, denn die Darstellung des Endringens und 
des Ausgangs des großen Krieges duldet kein Verweilen bei Ludendorffs 
Abgang von der Weltbühne. Die Frage, ob General Ludendorff mehr 
organisatorisch und rechnerisch begabt und mehr militärwissenschaftlich ge¬ 
schult als von genialen! Feldherrntum erfüllt war, sei weder aufgeworfen 
noch entschieden. Nur an einen Satz sei erinnert, den Schlieffen in seiner 
Cannästudie geprägt hat, um Napoleons kriegerisches Walten im Feldzug 
von Friedland zu kennzeichnen, und der da lautet: „An Napoleons Strategie 
und Taktik mag vielleicht manches auszusehen sein, an seiner Tatkraft nichts. 
Der Charakter, der Wille machen den Feldherrn." 
Das Leer vernahm Ludendorffs Abgang unmittelbar nach der Be¬ 
kanntgabe eines flammenden Protestes der Obersten Leeresleitung gegen 
Wilsons dritte Note, der aber alsbald zurückgezogen wurde. Gleichzeitig 
schütteten feindliche Flieger unzählige Flugzettel auf Front und Etappe, in 
denen Wilsons Gebote, der Zusammenbruch der Balkanfront und der Be¬ 
ginn der Revolution im Schoße Mitteleuropas angekündigt und die Nieder- 
legung der Waffen gefordert wurde. Trotz alldem verharrte der Kern der 
Frontarmeen im Widerstände gegen den Feind. Die Deutschen kämpften bei 
Rethel, am Morntalwald, in den Argonnen und bei Kragujevac ungebrochen 
und gingen im Westen fechtend gegen die Maas, im Süden fechtend gegen 
die Donau zurück. Sie mußten kämpfen, denn solange das deutsche Leer 
kämpfte, zählte Deutschland noch im Ring der Nationen, besaß Deutsch¬ 
land noch ein Machtmittel, das die Alliierten zwang, in Gutem und Bösem 
mit dem Gegner zu rechnen. 
Da zerbrach die österreichisch-ungarische Front. 
Die Auflösung der österreichisch-ungarischen Front 
Kaiser Karl hatte vergeblich alles getan, das Schicksal seines Reiches 
von dem Deutschlands zu trennen. Als der österreichisch-ungarischen Re¬ 
gierung vonWilson keine besondere Antwort auf die von ihr mitunterzeichnete 
Note vom 5. Oktober zugegangen war, hatte Karl die Sprengwirkung der 
14 Punkte Wilsons durch einen Erlaß zu entkräften versucht, der die Mon- 
archie in einen Staatenbund unter habsburgischem Zepter umwandelte.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.