Volltext: Hermann Stegemanns Geschichte des Krieges. Vierter Band. (4 ; 1921)

Die Ostfronten im Winter 1915/16 
hatte den Winter und die Zeit der Ruhe mit erstaunlicher 
-%/\ Tatkraft ausgenützt. Die russischen Armeen standen schon im Februar 
schlagfertig und waren bereit, den Kampf wieder aufzunehmen, den die sieg¬ 
reichen Gegner im Spätherbst abgebrochen hatten, um die Entscheidung 
im sprunghaften Wechsel der Angriffsfront zum zweitenmal auf anderem 
Felde zu suchen. 
Schon die Winterkämpfe, die in Wolhynien und an der beßarabischen 
Grenze ausgefochten worden waren, hatten von neuer Erstarkung der russi¬ 
schen Wehrmacht gezeugt. Der Russe hatte im November am Styr, an 
der Strypa und am Dnjestr große Schlachten geliefert und sich in wechsel- 
vollem Ringen vor den wolhynischen Wäldern und auf der podolischen 
Platte behauptet. Er stand zwar nicht mehr auf dem Karpathenwall und 
in der Senke von Gorlice—Dukla, aber er lagerte noch hart vor den Zu¬ 
gängen des ttanskarpathischen Sttomlandes und vor den Tälern der Buko- 
wina. Solange er sich streitbar vor Brody, im Besitze von Tarnopol und 
vor den Toren von Czernowitz behauptete, blieb die Ostfront der Mittel¬ 
mächte trotz aller Siege und ttotz der Eroberung Polens in der rechten 
Flanke bedroht. Darüber durfte der Ausgang der Winterkämpfe vor den 
Toren von Czernowitz nicht hinwegtäuschen, obwohl das Ringen um die 
Jahreswende mit einem Abwehrsiege der Armee Psianzer°Baltin geendet 
hatte. Gelang es den Russen jemals wieder gegen Lemberg und Kolomea 
vorzustoßen, so zerriß dieser konzentrisch gedachte Angriff nicht nur die 
österreichisch-ungarische Front, sondern war auch dazu angetan, die ganze Ost¬ 
front der Mittelmächte ins Wanken zu bringen. Standen doch die Deutschen 
jetzt nicht mehr links rückwärts gestaffelt in gesicherter Stellung, sondern 
mit den Österreichern auf gleicher Äöhe ausgerichtet. And zwar bildeten 
sie von Rafalowka am Styr über Pinsk, Baranowitschi, Postawy, Illuxt, 
Jakobsiadt bis zum Tirulsumpf vor den Toren Rigas weitauseinander¬ 
gezogen einen schwach bemannten durchlaufenden Kordon, den jeder Stirn¬ 
angriff starker Massen mit Zerreißen der Front, jeder Einbruch in Galizien 
mit Aufrollung aus der Flanke bedrohte. 
Da der Russe vor den deutschen Gräben sehr starke Kräfte bereithielt, 
und in Riga, Jakobstadt, Dünaburg und Minsk weitgeöffnete Ausfalls¬ 
tore besaß, war die Lage der Deutschen auf der Ostfront im Jahre 1916 
schon vor Beginn des Frühlings gespannt. Im Hauptquartier Äinden- 
burgs zu Kowno gab man sich darüber in mancher ernsten Bettachtung
	        
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