Volltext: Hermann Stegemanns Geschichte des Krieges. Vierter Band. (4 ; 1921)

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Die Feldzüge im Westen und im Orient 
türkische Soldat war nicht mehr der alte. Wo an die Stelle des Anatoliers 
arabischer Ersatz trat, schwand die Kampfkraft rasch. Der Kern des osmani- 
schen Leeres lag auf Gallipoli und in den Schneewehen Locharmeniens 
gebettet. Da Enver-Pascha immer noch exzentrischen Eroberungen nach¬ 
jagte und in Kaukasien ein neues Reich aufzurichten suchte, obwohl Bagdad 
und Jerusalem schon in Feindeshand waren und die Araber ihre Lerrschaft 
über ganz Ledschas ausgedehnt hatten, blieb die syrische Front ohne Ver¬ 
stärkungen, ohne Ersatz und ohne Erhaltungsmittel. Sie zählte im Sep¬ 
tember des Jahres 1918 nur noch zehn schwache Infanteriedivisionen, eine 
Kavalleriedivision und einige deutsche Bataillone. Liman v. Sanders war 
gezwungen, den Angriff des Feindes mit der fatalistischen Ruhe eines 
Moslims zu erwarten, denn er hatte Befehl, die Linie Laifa—Deraa zu 
decken und besaß weder die Kraft, den Feind anzugreifen, noch die Möglich¬ 
keit auf eine kürzere Linie zurückzugehen. Seine schwachen Armeen lagen 
eingegraben vor ihrem unbespannten Troß und bildeten einen dünnen Kordon, 
dem jede Tiefenstaffelung, jede strategische Reserve fehlte. In der linken 
Flanke von schwärmenden Arabern des Scherifs Faisal bedroht, in der 
Front von englisch-indischen und australischen Streitkräften festgehalten, zu 
denen sich im August noch Franzosen und Italiener gesellt hatten, in der 
rechten Flanke von der See aus beschossen, lagen die Trümmer der 4., 7. 
und 8. Armee um die Sommerwende in der heißen Steppe, auf den 
nackten Bergen und im Fiebertal des Jordan und harrten eines neuen An¬ 
griffs Allembys. Der Küstenabschnitt wurde von der 8. Armee ge¬ 
halten, im Bergland stand die 7. Armee und im Iordantal focht die 4. Ar¬ 
mee. Die deutschen Truppen, die die Bezeichnung Asienkorps führten, 
standen unter dem Befehl des Obersten v. Oppen auf dem linken Flügel 
der 8. Armee am Rande des Berglandes aufmarschiert. Auf dem linken 
Flügel der 4. Armee focht das deutsche Infanterieregiment 146. Limans 
Lauptquartier befand sich in Nazareth. Die türkischen Armeen fühlten 
sich täglich stärker bedroht. Ihre Lauptverbindungslinie, die hinter dem 
linken Flügel verlaufende Ledschasbahn, wurde von Arabern beunruhigt, 
ihre Lager von englischen Fliegergeschwadern bombardiert, ihre Lindernisse 
von methodisch schwellender Beschießung zerstört und ihre Reihen durch 
Krankheiten und Fahnenflucht gelichtet. In Lumpen gehüllt, ohne Schuhe, 
knapp mit Munition versehen, erwartete der Türke den Angriff des über¬ 
legenen, glänzend ausgerüsteten Gegners. 
Indische Überläufer brachten die erste Kunde vom kommenden Angriff in 
Limans Lager. Liman sandte sofort Verstärkungen in den Küstenabschnitt, 
der am meisten bedroht schien, und warf Sicherungstruppen von Damaskus 
nach Deraa, um die Ledschasbahn vor Überfällen der Beduinen zu schützen. 
Allemby begann in der Nacht auf den 19. September Bresche zu schießen. 
Cr hatte die Lauptmasse seiner Artillerie, darunter schwere Marinestücke,
	        
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