Volltext: Hermann Stegemanns Geschichte des Krieges. Vierter Band. (4 ; 1921)

526 Die Feldzüge im Westen und im Orient 
mehr. And doch wäre die Frage nicht umsonst gewesen, denn der Zeitraum, 
der die Schlacht bei Cambrai, die letzte des gescheiterten englisch-französischen 
Angriffsfeldzuges, von der noch unbenannten ersten Schlacht des deutschen 
Angriffsfeldzuges trennte, war verstrichen, ohne daß von seiten der Mittel¬ 
mächte oder der Entente das Äußerste zur Herbeiführung des Weltfriedens 
und zur Wiederherstellung des geschichtlichen und wirtschaftlichen europäischen 
Kosmos getan worden wäre. 
DieWestmächte dachten nicht mehr daran, sich zu vergleichen, seit Amerika 
in die Arena getreten war, und waren zur Durchführung des Kampfes ent¬ 
schlossen. Wilsons Sinn aber war mehr auf Zukünftiges als auf die Er¬ 
haltung des Bestehenden gerichtet. Da sein Mittleramt dahingefallen und 
die Losung „weder Sieger noch Besiegte" nicht zur Geltung gekommen war, 
führte er Krieg, um den Völkerbund aus der Bluttaufe zu heben und opferte 
dieser Idee und seinen 14Punkten den schönsten Gedanken, vor der letzten 
Waffenentscheidung Frieden zu schließen. Die deutsche Politik war vollends 
unfähig, sich dem Zwange des Krieges zu entwinden. Sie war durch die 
belgische Frage und Brest-Litowst an Länden und Füßen gefesselt. Lertling 
erklärte zwar am 24. Januar 1918, daß er den vier ersten Punkten Wilsons 
grundsätzlich beistimme, machte aber zu den übrigen erhebliche Einschränkungen 
und schloß mit der Feststellung, daß ein dauernder allgemeiner Friede so 
lange nicht möglich sei, als die Anversehrtheit des Deutschen Reiches, die 
Sicherung seiner Lebensintereffen und die Würde des Vaterlandes nicht ge¬ 
wahrt blieben. Czernins Erklärung lautete verbindlicher und klang in den 
Wunsch aus, einen Gedankenaustausch zwischen Österreich-Angarn und den 
Vereinigten Staaten als Ausgangspunkt für eine allgemeine versöhnliche 
Aussprache zu schaffen. Wilson antwortete Lertling und Czernin am 11. Fe¬ 
bruar vor dem Kongreß und trieb seine diplomatischen Gegner wiederum 
in die Enge, indem er vier elementare Grundsätze zur Anbahnung von Friedens¬ 
verhandlungen aufstellte, die sich feindlich gegen die Mittelmächte kehrten. 
Er forderte nicht nur Gerechtigkeit, sondern auch die Abkehr vom Spiel des 
Gleichgewichts der Kräfte, verlangte, daß Völker und Provinzen nicht von 
einer Staatshoheit in die andere geschoben würden, als wenn es sich um 
Figuren oder Steine in einem Spiel handle, forderte, daß jede Gebietsfrage, 
die durch den Krieg aufgeworfen worden sei, im Interesse und zum Vorteil 
der betreffenden Bewohner gelöst werde, statt zum Ausgleich zwischen rivali¬ 
sierenden Staaten zu dienen und schloß mit dem Grundsatz, daß alle klar um¬ 
schriebenen nationalen Ansprüchen die weitestgehende Befriedigung gewährt 
werde, die ihnen gegeben werden könne, ohne Elemente der Zwietracht und 
Feindschaft zu verewigen oder neue Zwiste zu wecken. 
Auch diese Grundsätze wirkten, wenn sie einseitig angewendet wurden, 
als Sprengbomben im Lager der Mittelmächte. Sie nahmen ihnen alles 
mtd gaben ihnen nichts. Nur wenn Woodrow Wilson willens und fähig
	        
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