Volltext: Hermann Stegemanns Geschichte des Krieges. Vierter Band. (4 ; 1921)

Der Zwang zur Fortsetzung des Krieges 
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General Ludendorff als der Diktator Deutschlands, aber diese militärische 
Diktatur entbehrte der politischen Grundlagen und war nur das Ergebnis 
unglücklich geschichteter Verhältnisse. 
- Auf der Gegenseite lagen die Dinge anders. Als die demokratischen 
Staaten, vor allem England und Frankreich, erkannten, daß der Krieg zum 
Daseinskampf wurde, gingen sie von selbst zur Diktatur über, um die Staats¬ 
gewalt zu stärken und die Kräfte der Nation zum einheitlichen Wollen und 
Landein zusammenzufassen, aber diese Diktatur erwuchs aus dem Willen 
des souveränen Volkes, das im Parlament vertreten saß und der nationalen 
Willensbildung entsprechend, den Diktator aus der Mitte des Parlaments 
erlas. Lloyd George und Georges Clemenceau waren nur die Exponenten 
der Politik ihrer Länder. Sie waren weder gegen den Willen noch ohne 
Beftagung des Volkes in die Gewalt gesetzt worden, und bedienten sich der 
Machtmittel des Staates mit der Zustimmung des Parlaments, um den 
kriegerischen Geist vor dem Zerfall zu bewahren. Sie machten gefährlichen 
Gegnern den Prozeß, zwangen die Presse in ihren Dienst, kürzten die bürger¬ 
lichen Freiheiten, meisterten die öffentlicheMeinungund ergriffen die drückend- 
sten Ernährungsmaßnahmen, aber sie verkörperten den Willen der Nation 
und dienten dem von der Nation in jahrhundertlanger Entwicklung kristal¬ 
lisierten Staatsideal. Eine solche Diktatur war stärker als militärische Be- 
sehlsgewalt und allein geeignet, den Volkskrieg als die Fortsetzung der Poli- 
tik mit anderen Mitteln, und Leer und Leeresleitung als Instrument dieser 
Politik erscheinen zu lassen. Der weltbestimmende Einfluß derGewalt, der von 
Männern wie Lloyd George und Clemenceau ausging, war fteilich nicht nur 
in den Verhältnissen begründet, sondern erschien auch als Auswirkung ihrer 
überlegenen Persönlichkeit. Deutschland besaß keine Staatsmänner von 
solchem Zuschnitt. Seinem „Diktator" Ludendorff fehlte die Erfahrung 
staatsmännischer Weisheit, die zur Betätigung innerpolitischen Einflusses 
und zur außenpolitischen Zielsetzung nötig war. Er war ein Mann aus 
einem Guß, ein großer Soldat, der Wissendsten einer, ein herrschgewal¬ 
tiger Kopf, dem Lindenburgs schlichte Charaktergröße Raum zur Ent¬ 
faltung ungeheurer Energien gewährt hatte, aber die Genien Bismarcks 
und Moltkes wohnten nicht vereinigt in seiner Brust. 
Der Zwang zur Fortsetzung des Krieges 
Als der erste Generalquartiermeister seinem Kaiser im Frühling 1918 
meldete, daß das Westheer bereit sei zu handeln, war der Monarch kaum 
noch in der Lage die Frage auszuwerfen, ob alles geschehen sei, neuem Blut¬ 
vergießen Lalt zu gebieten und ob alle Mittel erschöpft worden seien, um zu 
Friedensverhandlungen zu gelangen. Die Entwicklung duldete keine Fragen
	        
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