Volltext: Hermann Stegemanns Geschichte des Krieges. Vierter Band. (4 ; 1921)

Die Friedensunterhandlungen von Brest-Litowsk 5£© 
Verhandlungen aufzunehmen und zu einer Verständigung mit den russischen 
Machthabern zu gelangen. So setzten sie sich, der Not gehorchend, im 
Vertrauen auf die Routine ihrer Unterhändler, des deutschen Staats- 
sekretärs v. Kühlmann und des österreichischen Ministers Grafen Czernin, 
an den grünen Tisch, um die Grundlagen eines künftigen Friedens zu schaffen, 
während der Russe aller Regeln spottend sie mit neuen Ideen narrte und 
den Diplomaten talmudistisch und marxistisch geschulte Köpfe gegenüberstellte, 
die die Unterhaltung nach Belieben wendeten. Die Gegensätze traten in 
den ersten Tagen noch nicht hervor, da beide Parteien die Hoffnung 
hegten, die Westmächte für die Teilnahme an den Verhandlungen zu 
gewinnen. 
Am 28. Dezember wurden die Beratungen auf Antrag der Russen bis 
4. Januar unterbrochen, um den Völkern, die sich den Verhandlungen noch 
nicht angeschlossen hatten, Gelegenheit zu geben, sich zu äußern und den 
Friedensverhandlungen auf Grund des programmatischen Gedankenaus¬ 
tausches beizutreten. Als die Entente hiezu schwieg, erklärten die Mittel¬ 
mächte, sie hätten die Anerkennung der Gültigkeit der Leitsätze ausdrücklich 
vom Beitritt sämtlicher kriegführenden Mächte zu den aufgestellten Be¬ 
dingungen abhängig gemacht, und traten nun in die Erötterung der Grenz¬ 
fragen des Ostens ein, um die Anabhängigkeit der Akraine, Litauens und 
Finnlands, die sich von dem bolschewistischen Rußland abgewendet hatten, 
unter gewissen Vorbehalten festzustellen, Kurland in enge staatsrechtliche 
Beziehungen zu Deutschland zu bringen, die Grenzen Kongreßpolens unter 
dem Szepter eines Habsburgischen Dynasten festzulegen und neue strategische 
Grenzen zu erlangen. 
Die neue Plattform war auf der Schwettarbeit der Verbündeten er¬ 
richtet worden, aber die Vettreter der Mittelmächte, die als Diplomaten 
der alten Schule und Staatsmänner geschichtlich gebundener Staaten gegen¬ 
über den revolutionären Wortführern einer neuen zwischenstaatlichen Ge¬ 
sellschaftsordnung mehr und mehr in Nachteil gerieten, waren nicht imstande, 
die Verhandlungen vom Fleck zu rücken. Je eifriger die Vertreter Deutsch¬ 
lands und Osterreich-Angarns drängten, desto schleppender handelten die 
Russen, die das Echo der Welt suchten und nun offenkundig auf den Aus¬ 
bruch proletarischer Bewegungen im Schoße der Mittelmächte warteten. 
Da die Kornvorräte Österreichs aufgezehrt waren und die deutsche Heeres¬ 
leitung des Ostheeres bedurfte, um im Vorfrühling zum Entscheidungs¬ 
kamps im Westen gerüstet zu sein, verloren die Mittelmächte bei den Ver¬ 
handlungen täglich Boden unter den Füßen. Lenin und Trotzki hingegen 
benützten die Zeit, hinter der bröckelnden Front des alten russischen Leeres 
unter der Führung des Fähnrichs Krylencko eine rote Armee zu bilden, die 
Macht des Bolschewismus in Großrußland zu festigen und den Bürger¬ 
krieg in die Gebiete Finnlands, Estlands, Livlands und der Akraine zu tragen.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.