Volltext: Hermann Stegemanns Geschichte des Krieges. Vierter Band. (4 ; 1921)

Vom Tagliamento zur Piave 
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den Eigensinn Boroevics verschuldet wurden, hätte dieser blendende Erfolg 
in der Vernichtung der Armee des Lerzogs von Aosta gegipfelt. Er blieb 
auch so, an den Verhältnissen gemessen, die Frucht einer Kriegshandlung 
von unerhörter Energie der Durchführung und tauchte den ganzen strat¬ 
egischen Rundbau des europäischen Kriegstheaters in neues Licht. 
Betrachtet man die europäischen Fronten, an denen damals gerungen 
wurde, als strategische Einheit, und die Kämpfe um £)fel und Riga, um 
Marasesti, Galah und Nomsloasa, um Monastir, Flitsch und Tolmein, um 
den Chemin des Dames und die Erdwelle von Mern als eine der Kreis¬ 
gestalt des Krieges entsprechende, große Panoramaschlacht, so erscheint 
die Überwindung des Isonzo als eine Durchbrechung des Zentrums der 
Entente. 
Die Westmächte erkannten die furchtbare, in der Vorstellung zu phan- 
tastischer Größe gesteigerte Gefahr und ergriffen schon am 27. Oktober alle 
erdenklichen Maßnahmen, dem drohenden Unheil zu steuern. Foch eilte 
nach Italien und unterrichtete sich an Ort und Stelle über die Lage der 
Italiener, und der interalliierte Kriegsrat lenkte Verstärkungen nach Verona. 
Englische und französische Kerntruppen wurden, wie sie standen und gingen, 
in ungeheizte Eisenbahnwagen verladen und an die Etsch entsandt, um Diaz 
die rettende Land zu reichen und den Einbruch der Mittelmächte in die 
Lombardei zu verhindern. In den verlassenen französischen Gräben erschienen 
die ersten amerikanischen Divisionen. 
Die Gefahr, in der die Italiener schwebten, war geringer, als sie schien. 
Conrad v. Lötzendorf war nicht in der Lage, im winterlich verschneiten 
Lochgebirge zur allgemeinen Offensive zu schreiten. Der Plan, den Karl, 
Arz v. Straußenburg und Generalmajor v. Waldstätten im Lauptquartier 
zu Baden ausgesonnen hatten, maß weder Krobatin noch Conrad Aufgaben 
und Mittel zu, sich an dem Angriff Belows und Boroevics auf die gewinkelte 
italienische Front zu beteiligen. Alles, was von Conrad und Krobatin ge¬ 
schah, war mehr oder weniger Selbstbehelf. 
Krobatin kam nach dem Einbruch der Gruppe Krauß ins Resiatal 
in Bewegung und vertrieb die Italiener am 27. Oktober vom Revasattel. 
Die Flügelkorps Conrads traten am 3. November den Vormarsch aus 
den Dolomiten an und öffneten die Quelltäler der Piave, und Conrads 
Lauptkräfte begannen am 9. November im Suganatal und in den Ber¬ 
gen von Asiago die italienischen Stellungen zu berennen, aber zu einem 
Durchbruchsversuch im Etschtal und an den Gestaden des Gardasees fehl¬ 
ten Conrad Zeit, Kraft und Weisung. 
Karl dachte zwar nicht mehr daran, daß er seinen Verbündeten am 
9. April in Lomburg erklärt hatte, die k. und k. Armee könnte nur noch bis 
zum Feste St. Martini Widerstand leisten, war aber weder geneigt noch 
bereit, den überraschenden Erfolg durch neue große Anstrengungen zu krönen. 
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