Volltext: Hermann Stegemanns Geschichte des Krieges. Vierter Band. (4 ; 1921)

Der russische Angriffsplan 
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land und Österreich im Osten drohte, für immer beschworen schien. Das 
strategische Spannungsverhältnis wurde zugunsten der Mittelmächte auf¬ 
gehoben, Deutschlands Kraft zur Abwehr im Westen gestärkt und der Aus¬ 
blick in lichtere Fernen geöffnet. Die Zeichen trogen nicht, aber die Ent¬ 
wicklung ging langsam und stockend vor sich, und die Mittelmächte wurden 
noch einmal zu hartem Kampf gerufen. Die Fesseln des Zweifrontenkrieges 
begannen sich erst nach neuen blutigen Feldzügen zu lockern. 
Die Offensive des russischen Revolutionsheeres 
Der russische Angriffsplan 
Die russische Revolution war im Zeichen der Auflehnung gegen das 
zaristische Regiment zur Reife gediehen. Bald erkannte die Welt, daß sie 
nicht zum Abschluß, sondern zur Fortsetzung des Krieges drängte, um sich 
von kriegerischen Triumphen das Recht auf die Zukunst bestätigen zu lassen. 
War auch die Kampflraft des russischen Leeres schwer getroffen worden, 
die Mannszucht zerrüttet und die Befehlsgewalt geschwächt, so besaß 
Rußland dennoch Kraft genug, den Kampf noch einmal aufzunehmen 
und unter neuer Fahne für alte, tief im Volke wurzelnde nationale Ideale 
zu streiten. Anfangs drohte zwar eine international gerichtete sozialistische 
Strömung alles mitzureißen, aber bald wurde in der sozialistischen Be¬ 
wegung jene Richtung Meister, die im Anschluß an die Demokratien des 
Westens und in der Gewinnung des Friedens durch Fortsetzung des Krieges 
bis zum siegreichen Ausgang das Leil erblickte. Dadurch wurde der linke 
Flügel der sozialistischen Parteien, der russisch gekleidete, schwärmerische 
Kommunismus, in die Opposition gedrängt, und die aus gemäßigten So¬ 
zialisten und bürgerlichen Demokraten zusammengesetzte Mehrheit zum Träger 
der Geschicke. Aber der Einfluß der Liberalen, die sich unter Gutsch- 
kows und Miljukows Führung der Leitung der äußern Politik bemächtigt 
hatten, schwand rasch. Die Sozialisten Kerensky und Tscheidse machten 
sich zu Lerren der Lage und rissen am 16. Mai 1917 die Gewalt an sich. 
Kerensky übernahm die Führung und prägte die Erklärung, daß Rußland 
für einen Frieden ohne Annexionen und Entschädigungen eintrete, aber 
auch für einen Frieden ohne eine Niederlage kämpfe. Er wurde zum Kriegs¬ 
minister mit diktatorischer Vollmacht ernannt, trat in die Fußstapfen Sadi 
Carnots und ging mit Feuereifer und fortreißender Tatkraft daran, das 
Leer aus der Lethargie zu wecken, in die es seit dem Ausbruch der Re¬ 
volution verfallen war. Gold der Westmächte strömte ins Land und be¬ 
fruchtete den politischen Feldzug zugunsten der Fortsetzung des Krieges. 
Stegernarws Geschichte des Krieges IV 24
	        
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