Volltext: Hermann Stegemanns Geschichte des Krieges. Vierter Band. (4 ; 1921)

352 Der Kampf um den Frieden im Jahre 1917 
persönlichen Einfluß anwenden werde, die „gerechten Ansprüche Frankreichs 
auf Elsaß-Lothringen" zu unterstützen, und daß er sich über den Osten äußern 
werde, sobald Rußland eine rechtmäßige Regierung besitze. 
Sixtus eilt nach Paris. Als er an der Seine eintrifft, findet er das Kabi- 
nett Vriand gestürzt und Ribot an Vriands Stelle. 
Am Zl.März begibt sich der Prinz zu dem Präsidenten der Republik, 
der ihn diesmal in Gegenwart Jules Cambons, des Direktors des Aus¬ 
wärtigen Amtes, empfängt. Poincare liest Karls Brief, hört die Erläute¬ 
rungen des Prinzen und steckt den Trumpf in den Ärmel. Sixtus er¬ 
klärt ihm, daß Karl ausdrücklich die Grenzen Clsaß-Lothringens von 1814 
anerkenne. Da antwortet Poincare mit Karls Brief in der Land im 
Linblick auf Rivellcs und Laigs siegversprechende Offensiven, im Ver¬ 
trauen auf Amerikas Beistand und in der Äoffnung auf die neue Wendung 
in Rußland, wo Miljukow nach dem Steuer greift, um das Staatsschiff 
wieder entschlossen in den Krieg zu lenken: „Die Grenzen von 1814? Das 
ist eine Mindestforderung, Prinz! Die Schäden, die wir in diesen Tagen 
durch den barbarischen Rückzug von der Somme erlitten haben, zwingen 
uns, bedeutende Entschädigungen zu verlangen." Als der Prinz freudig 
beipflichtet, verlangt Poincare für Belgien nicht nur Wiederherstellung 
seiner Souveränität in den alten Grenzen, sondern auch Eupen und Malmedy. 
Wie sollte ihm der Offizier König Alberts hierin widersprechen! Die Unter¬ 
redung stößt erst auf Schwierigkeiten, als die italienische Frage aufgeworfen 
wird. Rach einer weitschweifenden Erötterung der heiklen Angelegenheit 
gibt Poincare dem Schritt Kaiser Karls schließlich folgende Deutung. „Also 
es handelt sich nicht um einen Waffenstillstand, sondern um einen Sonder¬ 
frieden, der bestimmt ist, den Block der Mittelmächte zu verringern, um einen 
Sonderfrieden mit Österreich, das sich auf unsere Seite stellen würde!" 
Jules Cambon, der Berater des Quai d'Orsay, nickt Poincare Beifall. 
Der kluge skrupellose Advokat hat das Frauenhaar, das Karl mit Sixtus ver¬ 
bindet, zum Seil geknotet und dem Kaiser um den Lals gelegt. Sixtus sieht 
das Ziel seiner Vermittlung in greifbarer Nähe winken, nur Italiens ma߬ 
lose, durch den Londoner Pakt geschützte Ansprüche und die Weigerung Karls, 
mit Rom zu verhandeln, versperren noch den Weg zum Erfolg. Poincare 
weist den Prinzen an Ribot. 
Als Prinz Sixtus sich zu Ribot begibt, um den neuen Ministerpräsidenten 
für die Vermittlung zu gewinnen, wird er kühl empfangen. Das Ministerium 
Ribot lebt nicht von großzügiger eigener Politik, sondern von der Gnade 
der Kammern. Die Volksvertretung hat sich des Kabinetts Briand und 
des Kriegsministers General Liautey entledigt und das Kriegsministerium 
in die Lände des Zivilisten Painleve gelegt, um wieder größeren unmittel¬ 
baren Einfluß auf die Geschicke Frankreichs auszuüben. Es ist der letzte Ver¬ 
such Frankreichs, einer Diktatur aus dem Wege zu gehen, Ribot fühlt sich
	        
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