Volltext: Hermann Stegemanns Geschichte des Krieges. Vierter Band. (4 ; 1921)

350 Der Kampf um den Frieden im Jahre 1917 
Da Karl bereit war, die Ansprüche Rußlands auf Konstantinopel anzu¬ 
erkennen, blieben nur noch die jugoslawische und die italienische Frage in der 
Schwebe. Am sie zu klären und die Verhandlungen zu fördern, begab sich 
Sixtus nach einer zweiten Anterredung mit Poincaré auf die dringende Bitte 
des Kaisers mit seinem Vetter lavier von Bourbon heimlich nach Wien. 
Daraus wurde eine romantische Reife. 
Am 22. März treffen die Prinzen unerkannt in der tiefverschneiten 
Lauptstadt Karls ein und verbergen sich im Lause des Grafen Erdödy. 
Am anderen Abend fahren sie nach Laxenburg, wo Karl und Zita Los halten. 
Durch stäubenden Schneesturm, an vermummten Schildwachen vorbei, er¬ 
reichen sie das verschwiegene Schlößchen und werden, von Kaiser Karl und 
Kaiserin Zita sehnlichst erwartet, mit offenen Armen empfangen. „Ich muß 
Frieden machen um jeden Preis", sind des Kaisers erste Worte. Sixtus 
antwortet ihm, daß die Alliierten sich weigerten, mit den Deutschen zu ver¬ 
handeln, die gerade in diesem Augenblick eine Wüste hinter sich geschaffen 
hätten, um von der Somme auf die Siegfriedlinie zurückzugehen. Kaiser 
Karl erwidert, daß er seine Verbündeten vergeblich zu politischen Verzichten 
gemahnt habe; die leitenden deutschen Kreise vertrauten fest auf einen sieg- 
reichen Frieden. Trotzdem werde er alles versuchen, die Deutschen zu einer 
Verständigung zu bewegen. Mißlinge dies, so sei er entschlossen, einen Sonder¬ 
frieden zu schließen. Österreich könne ruhig seine Stimme erheben und zu 
England, Frankreich und Rußland sagen: „Nous ne pouvons continuer 
à nous battre pour le roi de Prusse, nous faisons les sacrifices né¬ 
cessaires et signons la paix immédiatement.“ 
Sixtus gräbt das geistreiche Wort in sein Gedächtnis und spricht nun 
von den Forderungen Frankreichs. Frankreich habe ein Recht, sich auf den 
ersten Pariser Frieden vom 30. Mai 1814 zu stützen, der dem bourbonischen 
Frankreich die Grenzen von 1792 zugestanden habe. Gelange dieser Ver¬ 
trag zur Anwendung, so müßten Frankreich nicht nur die deutschen Reichs¬ 
lande, sondern auch die Gebiete von Saarlouis, Saarbrücken und Landau 
zugesprochen werden. Der Bourbonenprinz geht weiter, er macht sich Karl 
gegenüber zum Anwalt Frankreichs und erklärt, darüber hinaus müßten die 
Rheinlande Preußen entzogen und unter die Aufsicht der Entente gestellt 
werden. Karlvon Labsburg, der Nachfahr der Kaiser des Leiligen Römischen 
Reiches Deutscher Nation, das Laupt des Lauses Lothringen, der Ab¬ 
kömmling eines elsässischen Grafengeschlechtes, hat weder gegen die Ab¬ 
tretung Elsaß-Lothringens, noch gegen die Teilung der Pfalz, noch gegen 
die Vergewaltigung der Rheinlande etwas einzuwenden. Er anerkennt 
Frankreichs Ansprüche ohne Vorbehalt und wendet sich rasch der ihm 
näherliegenden polnischen Frage zu. 
Die Unterhaltung führt auf unsicheren Boden, denn inzwischen ist im 
Osten Revolution ausgebrochen und hat die Figuren des Schachbretts ver»
	        
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