Volltext: Hermann Stegemanns Geschichte des Krieges. Vierter Band. (4 ; 1921)

294 Die allgemeine politische Lag« um die Jahreswende 1916 
den Botschafter Grafen Bernstorff angewiesen, dem Präsidenten die Ver¬ 
mittlung des Friedens nahezulegen. Das war im Juli 1916 nach der Kapi¬ 
tulation in der I7-Bootfrage. Wilson hielt jedoch den Augenblick für schlecht 
gewählt. Brussilow stand auf den Karpathen, Laig und Foch bedrängten 
die Deutschen an der Somme, Rumänien rüstete zum entscheidend gedachten 
Schlag. Mit Recht sagte sich der Amerikaner, daß er als Neutraler nur 
dann als Schiedsrichter den Frieden vermitteln könne, wenn er abgekämpften 
Gegnern in der Schwebelage den Vorschlag machte, voneinander abzulassen 
und eine Verständigung zu suchen. Als Bernstorff ihn im Oktober an die 
Angelegenheft erinnerte, erklärte Wilson, daß er noch mitten im Wahlfeldzug 
stände und jetzt nicht an diese Aufgabe herantreten könne, begann aber im 
November, kurz nach der Wahl, die Vermittlung in der Stille vorzubereiten. 
Graf Bernstorff wurde von Wilsons Vertrauensmann unterrichtet, daß 
der Präsident noch vor Weihnachten eine Kundgebung erlassen werde, um 
der Welt den Frieden zu bringen. Da erschien, bevor Wilsons Manifest 
aus den Akten erstand, plötzlich das Friedensangebot Deutschlands und 
seiner Verbündeten. Wilson empfand dieses überraschende Vorgehen als 
eine Schwächung seiner eigenen Vermittlungsversuche und eine Kränkung 
seines Ansehens. 
Es ist nicht leicht, dieses Äberkreuzspiel der deutschen Staatsleitung zu 
erklären, man darf es aber auf die Bedrängnis zurückführen, in die die deutsche 
Politik mangels einer überragenden, führenden Persönlichkeit geraten war. 
Waren auch die Zeiten vorbei, in denen ein „prince connétable“ nach dem 
Vorbild Friedrichs des Großen seine Kriege selbst führen und die Einheit 
der politischen und der militärischen Landlungen im Raume, in der Zeit 
und in der Zielsetzung sicherstellen konnte, so hätte es zur Führung eines so 
gewaltigen Krieges doch eines wahrhaft genialen, herrschgewaltigen Staats¬ 
mannes bedurft, um Strategie und Staatspolitik zu vermählen. 
Als Bethmann Lollweg im September 1916 den Kaiser für die Ver¬ 
öffentlichung eines Friedensangebotes zu gewinnen suchte, wußte er, daß 
die Leeresleitung sich grundsätzlich für den unbeschränkten II-Bootkrieg 
ausgesprochen hatte, und daß Marine undLeer sich dieses Mittels der Krieg¬ 
führung bedienen wollten, sobald der rumänische Feldzug gegipfelt hatte. 
Der Kanzler hatte um diese Zeit eine Darlegung Lindenburgs und 
Ludendorffs erhalten, in der die Kriegslage eingehend geschildert wurde. 
Die Leeresleitung kennzeichnete die Lage als glückliche, auch in Zukunft 
wirksame Abwehr der Durchbruchsversuche im Westen, Osten und Süden 
und als aussichtsvollen Gegenangriff in Siebenbürgen, erklärte aber, daß 
man mit einer längeren Kriegsdauer rechnen müsse, da es zweifelhaft wäre, 
ob der rumänische Feldzug zu einem Erfolge führe, der dem Kriege noch 
im Jahre 1916 ein Ende mache. Dagegen verspreche die Marine bei rück¬ 
sichtslosem Einsatz der Unterseeboote angesichts der wirtschaftlichen Lage
	        
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