Volltext: Hermann Stegemanns Geschichte des Krieges. Vierter Band. (4 ; 1921)

Woodrow Wilson und der Kampf um den 17.Bootkrieg 257 
Deutschland nahm demI7-Bootkrieg durch Geheimbefehle an die Marine 
und offene Zugeständnisse an Amerika die Kraft, in derLoffnung, seiner nicht 
mehr zu bedürfen. Diese Loffnung war durch den Durchbruch bei Gorlice 
und die Eroberung Galiziens und Polens und durch die glückliche Abwehr 
der französischen, englischen und italienischen Angriffe genährt worden. 
Da riß eine neue Katastrophe die Kluft tiefer, die sich am 7. Mai 
zwischen Berlin und Washington aufgetan hatte. 
Am 19. August, dem Tage, da Nowo Georgiewsk fiel, wurde der 
Postdampfer „Arabie" ohne Warnung versenkt. Wiederum gingen eine 
Anzahl Menschenleben zugrunde, wiederum erscholl Wilsons Einspruch. 
Deutschland bot Genugtuung an und kehtte fast ganz zum 17-Bootkreuzer- 
krieg zurück. Der Reichskanzler erwirkte im Einvernehmen mit dem Chef 
des Marinekabinetts, Admiral v. Müller, und dem Chef des Generalstabes, 
General v. Falkenhayn, Befehle des Kaisers, die die Führung des17-Boot- 
handelskrieges in der Nordsee nur noch im Rahmen der Prisenordnung 
gestatteten. Das war das Ende des in der Sperrgebietserklärung umschrie¬ 
benen 17-Boothandelskrieges. Zugleich lag darin ein moralischer Verzicht 
auf die spätere Wiederaufnahme dieser Methode. Wilson hatte gesiegt. 
Die deutsche Marine wurde durch diesen Rückzug tief getroffen. Der 
Staatssekretär Großadmiral v. Tirpitz bat um seine Entlassung. Er war 
gegen die übereilte Erklärung der Blockade Englands und gegen die Ver¬ 
kündigung einer „Gefahr- und Sperrzone" gewesen, obwohl er selbst im 
November 1914 in einer Anterredung mit einem amerikanischen Journalisten 
vorschnell hievon gesprochen hatte, litt aber vor allem darunter, daß sein 
politischer Emfluß seit Beginn des Krieges von Tag zu Tag gesunken war 
und sein Rat in Marinesachen, vornehmlich in der Verwendung der von 
ihm gebauten Lochseeflotte, nicht eingeholt wurde. Ohnmächtig saß der 
kluge, einst so mächtige Mann im kaiserlichen Hauptquartier. Der Kaiser 
lehnte die Entlassung ab, befahl aber, den Nachfolger Pohls im Admiral- 
stab, Admiral Bach mann, abzulösen, und berief an dessen Stelle denAdmiral 
v. Loltzendorff, der sich nicht zu Tirpitz, sondern zu Bethmann Lollweg be¬ 
kannte. Das geschah zur Zeit, als die Russen geschlagen über Brest-Litowsk 
zurückwichen, Mackensen vor Belgrad aufmarschierte und die Bulgaren für 
den Eintritt in den Krieg an der Seite der Mittelmächte gewonnen wurden. 
Damals war im deutschen Lager die Hoffnung auf rasche, glückliche 
Beendigung des Krieges durch Bedrängnis der Bundesgenossen Englands 
auf dem festen Lande wieder zum Leben erweckt worden. Als diese Hoffnung 
trog, der Winter über die Schützengräben hereinbrach und Verdun dem 
Ansturm des Kronprinzen standhielt, tauchte die Frage des 17-Boot¬ 
handelskrieges noch einmal aus der Versenkung. Diesmal forderte Falken¬ 
hayn seine unbeschränkte Anwendung, um die Westfront zu entlasten und 
England dem Willen Deutschlands gefügig zu machen. Tirpitz stimmte 
Stegemanns Geschichte des Krieges IV 17 
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