Volltext: Hermann Stegemanns Geschichte des Krieges. Vierter Band. (4 ; 1921)

252 Der Seekrieg vom 24. Febr. 1915 bis 22. Dez. 1916 
Der deutschen Flotte leuchtete kein glückbringendes Gestirn. Die Lage 
Deutschlands zur See war im Februar 1915 trotz hervorragender einzelner 
Waffentaten und heldenhafter Kämpfe in der Weite des Ozeans und in der 
Enge der Nordsee ungünstiger als zu Beginn des Krieges. 
Als die deutschen Kreuzer am 24. Januar 1915 auf der Doggerbank — 
weder von A-Booten begleitet noch von Linienschiffen unterstützt — ihr 
erstes großes Treffen lieferten, „Blücher" in die Tiefe sank und aus „Seyd- 
Atzens" Geschütztürmen lodernde Flammen schlugen, war dieses zum erstenmal 
firmfällig in die Erscheinung getreten. Admiral v. Ingenohl büßte den 
Ausgang des Treffens zwar mit dem Verlust seiner Stellung, aber die 
Wurzel des Abels, die Ansicherheit der Befehlsgebung an oberster Stelle, 
wurde dadurch nicht beseitigt. Die Bindung der Lochseeflotte blieb be¬ 
stehen und die Führung des 17-Bootkrieges ins Angewisse gestellt. Daran 
änderte die Erklärung der Gegenblockade nichts. Der neue Flottenchef, 
Admiral v. Pohl, führte zwar die Panzerschiffe zu kurzen Vorstößen aus 
der deutschen Bucht, brachte sie aber nicht zum Schlagen. Er gehorchte 
dem Befehl des Kaisers, der dem Gedankengang Bethmanns folgte und die 
Flotte als politisches Instrument nicht aufs Spiel setzen wollte, obwohl sie weder 
Deutschlands Lauptwaffe noch zur unversehrten Erhaltung nach dem Kriege 
geschaffen war. Sie unterschied sich darin wesentlich von der britischen Ar- 
mada, die das militärische Fundament des englischen Weltreiches bildete. 
Wohl wirkte auch die deutsche Flotte als „fleet in beeing“, aber dieses Ver¬ 
halten war ihr nicht von der Stärke, sondern von der Schwäche vorgeschrieben. 
Sie war politisch und strategisch gefesselt, bildete daher nur eine Verteidi¬ 
gungswaffe, eine vorgeschobene schwimmende Batterie, während die eng¬ 
lische Lochseeflotte trotz ihrer Zurückhaltung angriffsweise wirkte. 
Die deutsche Angriffswaffe zur See war die II-Bootflotte. Sie ging 
dem Befehle gemäß im Februar 1915 zum verschärften Landelskrieg über 
und suchte die Blockade Englands durch tatkräftiges Vorgehen bis zu 
einem gewissen Grad wirksam zu gestalten, sah sich aber bald in ihrer Tätig¬ 
keit gehindert, da man sich in Berlin auf Wilsons Einspruch hin weder 
für die uneingeschränkte Verwendung unter Wasser noch für die Benutzung 
der Waffe im Rahmen des herkömmlichen Kreuzerkrieges entscheiden konnte. 
Die Suche nach einem Mittelweg war vergebliche Mühe, denn die Natur 
der neuen Waffe duldete keinen Kompromiß. Diese Ansicherheit des Landelns 
wurde Deutschland verhängnisvoll. Sie wurde zu einer politischen Fehler¬ 
quelle, die von Tag zu Tag neue Verwirrung spie. Sie spaltete das deutsche 
Volk in leidenschaftliche Befürworter und erbitterte Bekämpfer des II-Boot- 
krieges, schuf im Verkehr mit den Neutralen, vornehmlich mit Wilson, 
immer wieder neue diplomatische Zwischenfälle und gestattete England, sich 
mit allen Mitteln zum Kampfe unter dem Wasser zu rüsten. Diese An- 
ficherheit hinderte Deutschland aber auch, alles an die Schaffung einer
	        
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