Volltext: Hermann Stegemanns Geschichte des Krieges. Vierter Band. (4 ; 1921)

/Eisige Regengüsse, wilde Schneestürme und erstickende Nebelschwaden 
zogen im Januar 1916 über die Schlachtfelder Europas und hüllten 
die weitgespannten Fronten des Weltkrieges in bedrückendes Dunkel. Ver¬ 
hangen lag die politische Zukunft, ungewiß war der strategische Ausblick: 
zum ersten Male machte sich die Ansicherheit, die jedem Kriege als Phäno¬ 
men eigen ist, in einem Augenblick scheinbare Ruhe beklemmend geltend. 
Was waren, was wogen die hüben und drüben erkämpften Erfolge, die 
hiiben und drüben erduldeten Mißerfolge? 
Erstarrt lagen die Fronten, soweit das Auge reichte. Von Flandern 
bis zur Burgunder Pforte lief die tief eingegrabene Wehrstellung der 
Deutschen, um deren Sprengung die Entente seit Dezember 1914 vergebens 
rang, ohne am Enderfolg zu verzweifeln. An der italienischen Grenze 
standen die Gegner in enger Amklammerung Brust an Brust. Der Italiener 
suchte durch stärkeren Druck auf Görz den Weg nach Triest freizumachen, 
der Österreicher widerstand, indem er sich verzweifelt ans Karstgestein krallte. 
In Südtirol schien alles unverändert. Auf der Balkanhalbinsel waren die 
österreichische!: Waffen bis zur Vojusa vorgedrungen und hielten die Italiener 
in Valona in Schach, waren aber nicht stark genug, diese italienische Grund¬ 
stellung auf albanischem Boden zu entwurzeln. Vor Saloniki lagen die 
Bulgaren, durch deutsche Kräfte unterstützt, auf den Längen von Doiran 
und an den Engen der Flußtäler, und hüteten die Tore Mazedoniens, vor 
denen Franzosen und Engländer Verstärkungen auf Verstärkungen häuften. 
Auf Gallipoli starrten verlassene Kampfstätten, die die Lalbinsel in eine 
Nekropole verwandelt hatten, aber britische Kriegsschiffe schwärmten immer 
noch um die Dardanellen. Im Osten reckten sich die in Eis und Schnee 
begrabenen Fronten von Riga bis Czernowitz. Sie liefen durch Sumpf 
und Bruch an der Düna entlang, verketteten die litauischen Seen mit Schara 
und Serwetsch, wanden sich durch die Poljesje zum Stochod und von den 
Bugquellen zur Strypa, um den Dnjestr zu überschreiten und vor den 
Toren von Czernowitz an der rumänischen Grenze zu enden. 
And überall, im Osten, im Westen und im Süden, herrschte der Graben¬ 
krieg. Nirgends große Bewegung. 
Wo fiel unter solchen Amständen die nächste Entscheidung? Die Ant¬ 
wort lag im ungewissen, und zwar blieb sie um so ungewisser, je größer die 
scheinbare Freiheit des Landelns war, deren man sich hüben und drüben in 
diesem ersten großen Intervall der kriegerischen Handlung zu erfreuen glaubte.
	        
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