Volltext: Hermann Stegemanns Geschichte des Krieges. Vierter Band. (4 ; 1921)

100 Der Feldzug im Osten vom 14. Nov. 1915 bis 31. Aug. 1916 
Das Echo von Brody 
Die Nachricht vom Falle Brodys wirkte in Teschen wie ein reinigen¬ 
des Gewitter. Conrad v. Lötzendorf ließ alle Bedenken und Einwände, 
die er im Meinungsstreit mit Falkenhayn gegen eine Unterstellung weiterer 
österreichischer Armeen unter deutschen Oberbefehl erhoben hatte, fallen 
und gab die 2. Armee in Lindenburgs Land. Der Feldmarschall erhielt 
den Oberbefehl von der Ostsee bis zum Serethgrund, der Erzherzog-Thron¬ 
folger Karl den Oberbefehl vom Sereth bis zur rumänischen Karpathen¬ 
grenze. Ludendorff blieb Lindenburgs Generalstabschef, dem Thronfolger 
trat General v. Seekt zur Seite. 
Falkenhayn hatte anfangs den Befehl über die wolhynisch-galizische 
Front in Mackensens Land legen wollen, aber Mackensens harrte in Sofia 
eine andere Aufgabe. Ihm schlug die Stunde, wenn Rumänien an der Seite 
Rußlands und der Westmächte in den Krieg trat. Diese Stunde nahte, und 
Falkenhayn und Conrad brachten am 28. Juli die ersten rumänischen Feld- 
zugspläne zu Papier. Die Vereinfachung der Befehlsverhälrnisse im Osten 
war eine halbe Lösung, denn die Zweiteilung des Oberbefehls blieb immer 
noch eine doppelte. Lindenburg war der deutschen Obersten Leeresleitung 
in Pleß, der Erzherzog-Thronfolger dem Armeeoberkommando in Teschen 
unterstellt, und Falkenhayn und Conrad daher von Fall zu Fall immer wieder 
auf gegenseitige Verständigung angewiesen, also ein Kompromiß in einer 
Lage, die nicht nur Einigkeit, sondern unteilbare Einheit forderte. Der Fluch 
des Koalitionskrieges war wohl gemildert, aber keineswegs beschworen. 
Als Sacharow in Brody einzog, trat der russische Angriffsfeldzug in 
eine neue Phase. Brussilow erkannte, daß er den richtigen Augenblick, die 
Trümmer der k. und k. 4. und des linken Flügels der 1. Armee zu überrennen 
und die inneren Flügel Linfingens und Boehm-Ermollis nach innen aufzu» 
rollen, unwiederbringlich versäumt hatte. Wäre er am Tage nach dem über¬ 
raschenden Durchbruch bei Luzk an der Spitze einer Verfolgungsarmee in 
westlicher Richtung vorgebrochen, so hätte er auf den Feldern zwischen 
Gorochow und Brody keinen Gegner mehr gefunden. Aber damals besaß 
er nur Kavallerie, und die war durch österreichische und deutsche Reiter und 
ein paar gefechtsfähige Bataillone so lange aufgehalten worden, daß die 
50 Kilometer breite Lücke notdürftig verstopft werden konnte, bevor russische 
Infanterie zur Stelle war. Die neuen Angriffe Sacharows hatten die 
Leeresgruppe Linsingen und Boehm-Ermolli zwar schwer getroffen, waren 
aber nicht bis in die letzte Faser des neugespannten Kordons gedrungen. 
Die Eroberung der Tiefenlinie der Lipa, der Slonowka und der Boldurka 
und der Fall der Stadt Brody gaben Brussilow den Weg nach Lemberg 
und in den Rücken Boehm-Ermollis noch nicht frei. Anders lag die Sache 
nördlich der Bahn Luzk—Kowel. Gelang es Kaledin, den Stochod zu
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.