Volltext: Hermann Stegemanns Geschichte des Krieges. Dritter Band. (3 ; 1919)

Der Durchbruch bei Sadzawka 
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Sanwinkel vortrieb und noch einmal Mackensens linken Flügel anzurollen 
suchte, lag die Erkenntnis nahe, daß die russische Leeresleitung trotz des 
Falles von Przemysl nicht daran verzweifelte, das Schicksal zu meistern 
«nd dem Feinde am Dnjestr, an der Wisznia und an der Lubaczowka Lalt 
zu gebieten, indem sie ihm die weitklafternden Flanken eindrückte. Auch im 
Sanwinkel schritt der Russe entschlossen zum Angriff und warf sich auf 
die Armee des Erzherzogs, der in diesen Tagen bei Tarnogora und Rudnik 
noch einmal um die Sicherung seines rechten Flügels kämpfen mußte. 
Die Lage Pflanzer-Baltins war ungünstiger als die Josef Fer¬ 
dinands. General v. Pflanzer-Baltin hatte zwar alles, was er zur Land 
hatte, nach Sadzawka geworfen, um die Durchbrechung der Linie Dela- 
tyn—Kolomea zu verhüten, war aber nicht imstande, die Russen von den 
rechtsufrigen Pruthhöhen zu vertreiben. Leschitzki führte Bataillon auf 
Bataillon über den Fluß und drängte die Verteidiger in erbitterten 
Kämpfen auf die Linie Peczenizyn—Mlodiatyn zurück, setzte sich am 
5. Mai hart an der linken Flanke des eng umfaßten Brückenkopfes von 
Kolomea fest und ballte am nächsten Morgen nicht weniger als drei 
Divisionen zum Sturm, um die Durchbrechung der Pruthfront zu voll¬ 
enden und den alten Tatarenweg wieder zu erstreiten. 
Pflanzer-Baltin fühlte seine Kräfte schwinden. Seit vier Wochen lag 
er Tag und Nacht gegen eine große Übermacht im Kampfe, die seinen dünnen, 
weitgespannten Kordon zernagte und allmählich bis auf den letzten Faden 
zerschlissen hatte. Es ging ums Ganze, nicht nur um sein eigenes Schicksal, 
denn der Durchbruch zielte in den Rücken der Armeen Linsingens, Boehm- 
Ermollis und Mackensens. Pflanzer-Baltin war nicht in der Lage, sich 
selbst zu helfen, da er keinen Fußbreit ins Gebirge weichen konnte, ohne 
den Jablonikapaß und die rückwärtigen Verbindungen Linsingens zu ge¬ 
fährden. Er wandte sich daher um Lilfe nach Teschen. 
Der Augenblick forderte von der österreichisch-ungarischen Leeresleitung 
einen neuen strategischen Entschluß. Die Karten, auf denen sich die all¬ 
gemeine Entwicklung des galizischen Feldzuges seit dem 2. Mai in sprung¬ 
weise vorschnellenden Linien abhob, zeigten die Lage am Abend des 3. Juni 
von widerstreitenden Kräften beherrscht. In Südpolen stand der Russe 
an der Radomka und der Opatowka verschanzt, nachdem er in blutigen 
Gefechten aus dem Bergland von Kielce herausgedrängt worden war, im 
Sanwinkel und am Anterlauf des Flusses führte er heftige Gegenstöße, die 
den Erzherzog fesselten, an der Lubaczowka verebbten seine Durchbruchs¬ 
versuche, bei Drohobycz und Stryj war er fechtend im Rückzug auf den 
Dnjestr begriffen, an der Bistritz und am Pruth aber war er im Vordringen 
und stellenweise schon so tief in das Gefüge der Front der 7. Armee einge¬ 
brochen, daß nur noch überraschende Maßnahmen großen Stils die Lage 
am Südflügel meistern konnten. Unverkennbar wurde der Feldzug, der
	        
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