Volltext: Hermann Stegemanns Geschichte des Krieges. Dritter Band. (3 ; 1919)

Die Freiheit der Meere 
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gelten dürften und endlich, daß ein Lase» nur dann als gesperrt anzusehen 
sei, weitn die feittdlichen Schiffe das Ein- und Auslaufen wirklich verhindern 
könnten. Da Eitgland im Gegensatz zu Amerika, Frankreich und Spanien 
diese vier Grundforderungen ablehnte, schloß Katharina mit Schweden, 
Dänemark uitd Lolland eine Liga der „bewaffneten Neutralität", um dem 
Drucke Englands wirksam zu begegnen. Der Bund trat ins Leben, erreichte 
aber nichts, weil er keinen Waffenbund darstellte, und erstarb, ehe er recht 
geatmet hatte. Katharinas Nachfolger, Zar Paul, erneuerte das Neu¬ 
tralitätsbündnis im Jahre 1800, indem er statt der inzwischen von England 
niedergeschlagenen Niederlande Preußen zun, Beitritt gewann. Aber 
England ließ sich von diesem „Nordischen Bund" nicht einschüchtern. Pitt 
erklärte, daß die von Katharina aufgestellten Grundsätze eine jakobinische 
Folgerung aus den Menschenrechten seien, erhöhte durch großzügige Ma߬ 
nahmen den Ertrag der englischen Landwirtschaft und die Zufuhren aus 
Indien und verließ sich im übrigen auf Britanniens „hölzerne Mauern". 
Die Flotte gestattete ihm, dem ganzen Festland zu trotzen. Kurz darauf 
machte die Ermordung des Zaren Pitts letzten Besorgnissen ein Ende. Der 
Bund löste sich auf, und es wurde still von der „Freiheit der Meere", einen, 
Ausdruck, der schon durch Hugo Grotius seine volle begriffliche Prägung 
erhaltet, hat. So ist auch auf einem Fest, das die französischen Konsuln 
im Oktober 1800 zu Ehren der Abgesandten der Vereinigten Staater, vo» 
Amerika in Paris veranstaltet hatten, ein Trinkspruch ausgebracht worden, 
der in die Worte mündete: „Nous buvons à l’union de l’Amérique avec 
les puissances du Nord pour faire respecter la liberté de la mer.“ 
Amerika leistete übrigens der Aufforderung zum Beitritt zur Liga des 
Nordens keine Folge, sondern hielt sich damals von einer Verflechtung 
seiner Politik mit der Politik europäischer Staaten fern. 
Das neunzehnte Jahrhundert versuchte die Freiheit der Meere ans 
andere Weise sicherzustellen. Es brachte völkerrechtliche Verträge zustande 
und stellte Grundsätze auf, die für alle beteiligten Staaten bindend sein sollten. 
Vergebliche Liebesmühe — als der Weltkrieg ausbrach, wurden die im 
Laufe von hundert Jahren geschaffenen Bestimmungen, die man in de, 
Pariser Deklaration vom Jahre 1856, der zweiten Laager Konferenz 
vom Jahre 1899 und der Londoner Seerechtserklärung vom Jahre 1909 
niedergelegt hatte, binnen wenigen Wock)en entwertet, verstümmelt und zer¬ 
pflückt und das Meer dem Krieg in beispielloser Weise dienstbar gemacht. 
Der eigentliche Seekrieg, d. h. die Bekämpfung der feindlichen Streitkräfte 
auf dem Meere, und der Landels- oder Wirtschaftskrieg, das ist das Be¬ 
streben, dem Feinde die Zufuhr abzuschneiden und seinen Willen durch Aus- 
hungerung zu brechen, entwuchsen, wie von einer unhemmbaren Elefantiasis 
befallen, allen völkerrechtlichen Bestimmungen, rissen sich von allen Regeln 
los und schritten nicht nur über die Rechte der Neutraler,, sondern auch über
	        
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