Volltext: Alpenkrieg

Einige Tage nachher, am 26. August 1914, als das Schießen, 
Prasseln und Dröhnen der Feuertaufe uns umtobte, mußte ich 
mitten in all dem Nervenaufpeitschenden, Hirnverbrennenden und 
mit sonderbarer Wucht auf uns Einstürmenden und in dem wehen 
Gefühle der ersten Verluste an diese Worte des strammen 
Burschen denken. Ê 
Richtig! Da lag er etwa fünfzig Schritte seitwärts von mir 
hinter einer Staude, zielte, schoß, lud und schoß wieder. Die 
Russen waren drüben schon seit Tagen in guten Stellungen ein— 
genistet. Ringsum Verwundete. Der Hans schoß, so oft ich hinblickte. 
Aber ganz merkwürdig! Schier nach jedem Schuß fuhr er mit der 
derben Hand über seinen rechten Oberschenkel. Was hatte er nur? 
In der Nacht, als Ruhe eingetreten war, sah ich ihn mir 
an. Die hechtgraue Hose war mit einer Reihe von blauen 
Tintenstiftstrichen auf dem rechten Oberschenkel gezeichnet. „Was 
ist denn das?“ — „Däis san siebzehn Russn. Fünfi hon i holb 
gfahlt, hon no hintakralln kinna.“ Wie entschuldigend sagte es 
der Scharfschütze Hans. 
Bei Grodek, als er in meiner Nähe stürmend den anderen 
Halbzug mit vorriß, wurden wir zusammen verwundet. Er bekam 
einen Armschuß. 
Aber ist bald darauf wieder in den Karpathenwinter hinaus— 
gezogen. Brav und schneidig war er überall dabei, bei jeder 
„Patrull“, bei jedem gefährlichen Nachrichtendetachement. Bei 
der Erstürmung des Borovacz führte er einen Zug und bei den 
großen Durchbruchskämpfen am Dnujestr rettete er sein ihm an⸗ 
vertrautes Häuflein oft aus den schwierigsten Lagen. Und als 
wir im Jahre 1915 nördlich von Horodenka uns in kühnem 
Handstreich und zweitägigem blutigen Kampfe den Dnjestr⸗Über⸗ 
gang erzwangen, hieb und stieß er wie ein Landsknecht auf die 
blut dürstigen Tscherkessen los. Er schien gefeit, trotzdem der Tod 
reiche Bluternte hielt. 
Abber als der Stellungskrieg begann, kam eine Kugel geflogen 
und traf ihn in den linken Anterschenkel. „So a saublöda Schuß,“ 
schalt der Hans, als er zurück mußte. J 
Und als er wiederkam, staken wir in den tiefen beßarabischen 
Schützengräben, die starken Festungen glichen. „Däis is jo ka 
Kriag,“ haderte der lustige, streitbare Hans. 
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