Volltext: Alpenkrieg

Bald aber gab es keine Ferien mehr für ihn und kein Heim— 
kommen. Im Jänner konnte das Mutterl es nicht mehr ertragen und 
fuhr nach Graz, ihren Liebling zu sehen. Als sie zitternd im Dome 
saß, kamen die blassen Jünglinge einher, ihr Franz von allen der 
blasseste, und das Mutterauge glaubte zu bemerken, daß er wanke. 
Später im Besuchzimmer fiel er ihr mit dem Rufe: „Meine Mutter!“ 
um den Hals. Nun wußte sie's, er war nicht glücklich. „Es geht 
mir gut“, sagte er, doch zu dem kleinen Wörtchen „gut“ brauchte 
er eine lange Weile. Zu Ostern kam ein Brief von ihm: „Liebe 
Mutter, wenn du diese Zeilen erhältst, bin ich nicht mehr ...“ Da 
stand mir das Herz still. „Bin ich nicht mehr —“ um Gott, er wird 
doch nicht —? Aber nein, ich faßte mich und las weiter: „.. bin 
ich nicht mehr angehender Priester, ich bin an der Universität inskri⸗ 
biert und studiere Philosophie“. — „Wie wird. das gehen?“ fragte ich 
mich bekümmert. „Wer wird ihm helfen?“ Aber Franz half sich selbst. 
Eine Jugendfreundin seiner Mutter bot ihm in ihrem Hause eine 
Zuflucht an. Es folgten böse Zeiten und oft hatte der Arme nicht mehr 
als ein Stück Brot zum Nachtmahl; doch er blieb guten Mutes, war 
er doch glücklich und frei. Nach vier Jahren machte er seinen Doktor. 
Als er sein Freiwilligenjahr abdiente, starb der Vater. Nun 
waren Mutter und Geschwister verlassen, wenn er nicht half. Die 
Mutter war verzweifelt. Da sagte Franz einfach und schlicht: „Aber 
Mutter, bin ja ich da!“ Und er wurde bald der Familie zweiter 
Vater. Am Ende des ersten Jahres nach Vaters Tod erhielt er eine 
Stelle als Schriftleiter des „Grazer Tagblattes“. Wie glücklich war 
er, als er mir allmonatlich seinen Gehalt zur Verfügung stellen konnte. 
Die Schwestern heirateten und er ergänzte ihre Aussteuer. 
Da kam der Krieg. Mit seinen braven Kärntner Buben zog 
unser Liebling fort. Auf dem rechten Murkai standen sie, Fähnchen 
und Sträußchen an der Brust und in den Gewehrläufen. Ihr Führer, 
unser Franz, steht als Leutnant unter ihnen und erteilt Befehle. End⸗ 
lich: „Zum Gebet!“ Die Männer ringsum entblößen die Häupter,
	        
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