Volltext: Hermann Stegemanns Geschichte des Krieges. Zweiter Band. (2, 1917)

Betrachtungen zum Feldzug in Polen und Galizien 339 
geführt hatte, wurde durch diesen zweiten Eisenbahnmarsch übertreffen. Der 
Aufmarsch bei Thorn überbietet auch Ioffres Aufmarsch zu der Schlacht an 
der Marne. Der französische Feldherr hatte es leichter als Lindenburg. Er 
saß im Innern seines Landes, wo alle Kraftquellen dicht hinter der Front 
sprangen und die Rochadelinien doppelt und dreifach liefen. Er war in der 
Lage, mit Übermacht aufzutreten und sah sich einem Feind gegenüber, der 
von Märschen, Schlachten und Siegen geschwächt und auf der Verfolgung 
auseinandergekommen war und sich im Marnebogen zu strategischer Linter- 
legenheit bequemte. 
2m Osten lag die Sache anders. Die Russen folgten zwar langsam und 
schwerfällig, aber als geschlossene Masse und von einem Willen bewegt, der 
Millionen zusammenballte. Ein riesenhaftes „bataillon carré“, aus dem eine 
Million Bajonette stachen, wälzte sich durch Polen und schickte sich an, die 
an Zahl unterlegenen deutsch-österreichischen Streitkräfte wie reifes Korn 
unter die Füße zu treten. Während Joffre die Lauptkräfte zwischen Verdun 
und Paris vereinigen, rechts und links sichere Anlehnung suchen und die 
geplante Amfassung auf Paris, die größte Lagerfestung der Welt, stützen 
konnte, unter deren Kanonen die Schlacht am Ourcq geschlagen wurde, 
mußten die Verbündeten im Osten mit Teilkräften eine 500 Kilometer 
lange Front halten und ihre Flügel exzentrisch kämpfen lassen, damit Linden¬ 
burg sich auf die kleine Weichselfeste Thorn stützen konnte, von der er sich indes 
60 Kilometer entfernen mußte, um den entscheidenden Flankenstoß zu führen. 
Während Maunoury ein Reservekorps und die auf Marschlänge aus¬ 
einandergezogene 1. Armee Klucks von der Seite fassen konnte, traf Macken¬ 
sens Stoß auf die Front der 1. russischen Armee, die darauf gefaßt war, 
angegriffen zu werden, und trotzdem geschlagen wurde. Es war Lindenburg, 
dem an Streitern weit Anterlegenen, der samt den Österreichern und Angarn 
nur einen Mann gegen drei aufstellen konnte, gelungen, hier, am ent¬ 
scheidenden Punkte, mit Ab er macht aufzutreten und dadurch den Verlaus 
der ganzen Schlachtenfolge zu bestimmen. 
Am den Feldzug Lindenburgs eindrücklich zu machen, sei ein Satz 
aus ihn angewendet, der die Betrachtung des deutschen Großen General- 
stabes über Napoleons Almer Feldzug in den Studien „Der Schlacht- 
erfolg" abschließt. Er lautet: „Das aber ist der Vorteil der Initiative und 
einer glücklich getroffenen operativen Einleitung der Kriegshandlung, daß 
sie sich wie ein Bleigewicht an die Entschlüsse des Gegners hängen." 
Als Lindenburg kühn gegen die Weichsel vorbrach, bestimmte er die 
Kriegshandlung, obwohl er sie zunächst nicht meistern konnte. Großfürst 
Nikolai hat zwar seine Gegenmaßnahmen mit Kraft und Geschick getroffen 
und sich zweimal rasch in die neue Lage gesunden, das erstemal im Oktober 
vor Warschau und Iwangorod, das zweitemal vor Lodz, aber er vermochte 
Lindenburg trotz des Durchbruchs bei Iwangorod und der Amfassung bei
	        
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