Volltext: Hermann Stegemanns Geschichte des Krieges. Zweiter Band. (2, 1917)

264 Der Feldzug im Osten vom 6. Nov. bis 17. Dez. 1914 
die Weiche der im Vormarsch befindlichen Hauptmacht des Großfürsten 
greifen sollte. 
Dieser Gedanke ist schon am 3. November im deutschen Hauptquartier 
zur Flamme entfacht worden, an der sich die Wissenden wärmten, während 
sich die Armee vom unbegrenzten Vertrauen auf den Stern und die Größe 
des Feldherrns und die Fähigkeiten seines Beraters leiten ließ und am 6. No- 
vember so zuversichtlich auf schlesischen Boden trat, als läge der russische 
Heereskoloß schon zertrümmert auf den polnischen Feldern. 
Der Plan der Verbündeten 
Der Operationsplan der Verbündeten ging zunächst auf Unterbrechung 
der russischen Offensive, und zwar durch Angriff auf die durch Polen heran¬ 
rückende Hauptmacht. Nur eine Amfassung, die den Angreifer während der 
Bewegung in der verwundbaren Flanke traf, konnte die Kraft des riesigen 
Heerwurms lähmen, der blind und taub auf den Spuren des gegen Südwesten 
ausweichenden Feindes herankroch und seine Nordflanke durch die 10. und 
1. Armee, seine Südflanke durch die 3. und 8. Armee genügend gesichert 
glaubte. Wenn diese Operation gelingen sollte und Hindenburg die Warta¬ 
linie nur aufsuchte, um hinter ihr in einem beispiellosen Flankenmarsch nach 
Norden abzurücken, so mußte der deutsche Feldherr zu diesem Anlernehmen 
alle verfügbaren Kräfte in Bewegung sehen, denn ein schwächlicher Flanken¬ 
stoß war angesichts der russischen Heeresmaffe, die sieben Korps als nörd¬ 
lichen Flankenschuh ausgeschieden hatte, von vornherein zum Mißlingen ver- 
urteilt. Führte Hindenburg aber starke Kräfte in die russische Flanke, so 
blieben ihm nur wenige Korps zur Verteidigung an der Warta übrig. Er 
mußte mit diesemMißverhältnis rechnen und es in der Berechnung verwenden. 
Es war im Grunde eine Erneuerung und Erweiterung des Planes, 
den er bei der Zurücknahme der Warschauer Stoßgruppe in die Rawkastellung 
verfolgt hatte. Schon auf diese kurze Entfernung war es ihm gelungen, die 
gewaltige Masse der um Warschau versammelten russischen Streitkräfte in 
die gewollte Richtung zu ziehen, mit der Absicht, sie dann durch einen Flanken¬ 
stoß von Jwangorod her unschädlich zu machen. Das war nicht geglückt, 
weil russische Verstärkungen über die Weichsel nach quollen, ehe genügende 
österreichisch-ungarische Kräfte zur Stelle waren, um den Brückenkopf 
wieder abzudrosseln. 
Jetzt handelte es sich um eine Operation von viel größerem Zuschnitt. 
Das ganze verbündete Heer war zurückgenommen worden und zog die Russen 
so weit hinter sich her nach Südwesten, daß ein Flankenangriff aus der rück¬ 
wärtigen Raumtiefe angesetzt werden konnte. Dieser wurde zwar zu einem 
Flankenmarsch vor dem anrückenden Feinde, lief aber keine Gefahr, von
	        
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