Volltext: Douaumont [1] (Band 1/1925)

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höheren Zwecke trugen, das Gefühl, nur Glieder zu sein in der 
großen Bewegung, die aus den tiefsten Lebensquellen einer ganzen 
Volksgesamtheit ihre Kraft schöpfte, war in uns allen. Ohne viel 
Worte. Da vorn aber, in den glutvollen Nächten, in denen das 
Sterben so billig war wie eine Handvoll Maiglöckchen bei Früh- 
lmgsansang, da ist noch ein anderes hinzugetreten. Nicht eines, das 
wie der Vaterlandsbegriff aus Gefühl und Erziehung stammt,, 
sondern ein anderes, das unbesieglicher noch ist als dieses. Pflicht, 
Disziplin? Es sind starre Begriffe von gewaltiger Härte. Sie 
halten furchtbare Belastung aus. Aber sie können zerbrechen. 
Stärker als alle diese und von unbezwingbarer Härte und wider- 
standslosem Zwang ist das S ch i ck s a l. Kein Fatalismus, kein 
Kreuzen der Arme und ohnmächtiges Hinnehmen dessen, was der 
blöde Zufall uns zuwirft. Sondern das Gefühl, durch das Schick- 
fal gebunden zu sein an diesen Ort voll täglichen Kampses um Leben 
und Tod, das Gefühl, so nahe an der Grenze des Todes zu ver- 
weilen, daß sein Anblick jeden Schrecken verlor ... 
Wenn der Transportzug in Montdidier oder in Longuyon 
ausgeladen, wenn der Landmarsch nach Süden angetreten wurde, 
wenn das nächtliche Flammenzittern am Himmel verriet, daß es vor 
Verdun ging . . . wer dachte dann, daß es anders sein könnte? 
Wer dachte dann, daß vielleicht irgend ein Rechenexempel oder 
irgend eine ganz nebensächliche Überlegung die Heeresleitung ver- 
anlaßt habe, gerade diese Division hier einzusetzen? Wer dachte 
dann daran, daß ein Wort eines im verborgenen Winkel am 
Kartentisch rechnenden Führers die Hunderte, die hier zogen, und die 
er so wenig kannte, wie sie ihn, zum Sterben zwang? Und vorher 
noch zu einem Martyrium, zu einer Folter sondergleichen? Alle 
diese Überlegungen hätten es vielleicht unerträglich gemacht. Das 
Gefühl aber, ein Schicksal zu tragen, machte still .. . 
Oder im Trichterfeld vorn. Du bist unterwegs als Melde¬ 
gänger südlich vom Fort in Richtung auf den N-Raum. Ein wahn- 
sinniger Feuerüberfall deckt dich ein, schneidet dir Vor- und Rück- 
wärtsgehen ab, liefert dich dem ohnmächtigen Zerschlagenwerden 
aus, dem blöden Spiel um Minuten und Sekunden, bei dem du 
Leben und alles eingesetzt hast und der andere dort drüben nur
	        
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