Ein französischer Gegenstoß gegen das 2. Garde-Regt. scheiterte.
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dem Höhenrücken ganz wenige Schützen von uns im Feuergefecht, die meisten
scheinen noch hinter uns in den Wäldern zu stecken. Auf unserm Grund liegt
recht unangenehmes Jnf.Strichfeuer. Kaum haben wir uns etwas umgesehen,
da kommt schon ein Leichtverwundeter von vorn, der dringend um Unterstützung
gegen einen feindlichen Gegenstoß aus Linthes heraus bittet. Schönstadt läuft
vor, um dort die Führung zu übernehmen. Ich sehe einige 100 rn weiter rechts
(nördlich) von uns Schützen aus dem Walde kommen und renne hin, um sie
zum Einschwenken nach links zu veranlassen. Es ist eine Kompagnie des
3. Garde-Regts., die auf meine dringenden Vorstellungen hin einschwenkt und
unsere schwache Linie rechts verlängert. Dann eile ich wieder zu Schönstadt,
zusammen liegen wir auf dem Höhenrücken, der sich von der Ste. Sophie Fe.
nach Connantre hin senkt. Von Linthes her ist ein starker Angriff, vielleicht
eines oder mehrerer Regimenter, im Gange, der flott vorgeht. Die vordere Linie
ist auf etwa 400 m heran, dahinter folgen große geschlossene Verbände. Was
können unsere 30—40 Gewehre dagegen machen, bei denen schon die Munition
knapp wird? Ich ergreife das Gewehr eines Gefallenen und fange an, mitzu-
schießen. Zum Überfluß hat uns die feindliche Artillerie sofort weg, eine wohl-
gezielte Gruppe Granaten nach der andern trifft flankierend unsere Linie. Da
wir stark mit Patronen sparen müssen, wühlen wir uns zwischen dem Feuern
mit Händen, Füßen und Säbel eine flache Mulde in den Boden, um etwas
Deckung zu haben. Der Feind kommt näher, ohne zu stocken, vielleicht noch
300 m. Man sieht schon die Offiziere mit geschwungenem Säbel vor der Front.
Jeder Schuh von uns sitzt, man kann genau beobachten, aber wir sind zu
schwach, ich habe gerade noch IS Patronen. Von rückwärts keine Unterstützung
zu sehen. Die Lage wird äußerst kritisch. Da — 2« nachm., der Feind ist in-
zwischen noch näher gekommen — erscheint als Retter der M.G.Zug L i g n i tz.
Im Laufschritt keuchen sie mit den schweren Gewehren die Höhe hinan. Schnell
sind sie in Stellung und schon schlägt der tödliche Hagel auf nahe Entfernung
in den dichten Haufen. Im Nu ist das Bild gewandelt; zahlreiche Feinde
stürzen, der Rest wendet sich zur schnellen Flucht und verschwindet bald in den
Waldschatten bei Linthes. Das war Rettung in höchster Not! Jetzt winkt aber
auch voller Erfolg. Die feindliche Artillerie verstummt und vom Mt. AoQt sieht
man dichte fliehende Kolonnen sich nach Südwesten wälzen. Der Feind flüchtet
überall, der letzte entscheidende Sieg scheint errungen!"
(Aufzeichnungen des Lts. v. Kirchbach.)
Jetzt kommen auch die rückwärtigen Teile heran. Was noch Atem
hat, stürzt die Höhe hinauf, um sich an dem Verfolgungsfeuer zu be-
teiligen. Bald ist von der ursprünglichen Gruppe Schönstadt alles, was
noch kampffähig ist, mit der M.G.K, zusammen auf der Höhe vereinigt;
auch von der Regts.Reserve sind Teile vorn eingesetzt, nur die Kom-
pagnie Paczenski wird vom Regts.Kommandeur zurückgehalten. Ganz
zuletzt wird noch Hptm. v. Lettow-Vorbeck (11. Komp.) durch
einen Kopfstreifschuß verwundet, in seinem unverwüstlichen Humor
setzt er sich eine französische Zipfelmütze auf und bleibt bei seinen
Leuten.
Das Marnedrama 1914. 2. Abschnitt des 3. Teiles. 5