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Der Angriff der 1. Garde-Jnf.Div.
füllen der immer noch ganz dünnen vorderen Linien durch die folgen-
den Wellen abgewartet werden. Der Augenblick war da, der die Ent-
scheidung bringen mußte, ob die Angriffskraft der braven Grenadiere
und Füsiliere hier auf der wirksamsten Schußweite vor dem Waldrande
zum Erlahmen kam, oder ob ihr Siegeswille und ihre Kräfte aus-
reichten, den Gegner zu überwinden.
Da endlich schallt von links der Gefechtslärm vom 4. Garde-Regt.
herüber, und bald hört auch das unangenehme Flankenfeuer auf. Sofort
reißen besonders unerschrockene Führer die Truppe weiter vorwärts.
In erster Linie wirkt hier Lt. Frhr. Spiegel v. u. zu Peckels-
heim durch sein hervorragendes Beispiel ungestümen Vorwärts-
stürmens. Noch sind die letzten Angriffswellen nicht heran, da nähern
sich schon die vordersten Schützen in unaufhaltsamem Sturme dem Wald-
rande. Rechts, wo er am nächsten liegt, wird er zuerst erreicht, und
in diesem Augenblicke ist es um den Halt der Franzosen geschehen. Trotz
energischster Bemühungen ihrer Offiziere, die man hin und her laufen
sieht, um ihre Leute zum Standhalten zu bewegen, bröckelt die feindliche
Linie ab. Noch bevor es zum Handgemenge kommt, verschwinden erst
einzelne, dann ganze Gruppen, und mit Windeseile setzt sich das „Rück-
wärts" beim Feinde fort. Das ist die Entscheidung in diesem Abschnitt!
Noch können die Grenadiere und Füsiliere das Unglaubliche gar nicht
fasten, daß ihre schwachen Kräfte den Gegner in dieser starken und
günstigen Stellung bezwungen haben sollen, aber in lichteren Stellen
des Waldes sehen sie schon, wie überall Gruppen und sich mehr und
mehr zusammenballende Haufen des Feindes in haltloser Flucht zurück-
rennen. Und da wiederholt sich das Erleben des Vortages: Mit brau-
fendem Hurra, schlagenden Tambours und unterm Blasen der Hör-
nisten stürmen die 2. Gardisten nach. Die ganze Linie nimmt das Hurra
auf, die letzten Wellen sowie die Kompagnien Müffling und Wickede
eilen nach, um die Verfolgungsjagd mitzumachen. Aber schwer waren
auch die Opfer, die von Offizieren, Unteroffizieren und Mannschaften
gefordert wurden, besonders in der Nähe des Waldrandes blieb man¬
cher Brave liegen. Bei der Kompagnie Müffling war der kühne Lt.
v. Lölhöffel, der am Vortage eine feindliche Batterie gestürmt
hatte, mit schwerem Beinschuß zusammengebrochen, Fähnrich G r o -
pius schwer verwundet worden.
Nach den ersten 50 m im Walde holte Hptm. Frhr. v. Münchhausen
die Kompagnie Knobloch ein, die hier verhielt, um weiteres Auffüllen
von rückwärts abzuwarten. Etwa 100 m vor der Schützenlinie lag eine