Rückblick und Betrachtungen. 2V!
vorgetriebene Kavallerie noch diesseits des Pt. Morin auf anscheinend
sich festsetzenden Feind stößt, das Gefühl, daß eine Wendung der Dinge
sich anbahnen könne.
Was man bei der Truppe ahnt, ist bei der höheren Führung schon
etwas deutlichere Vorstellung, aber doch nur eine Vorstellung, über
welche die Ansichten weit auseinandergehen. Eine Weisung der Obersten
Heeresleitung hatte eigentlich für heute, den 5. September, ein Ver-
bleiben vor der Ostfront von Paris von der 1. und 2. Armee verlangt,
während die 3. Armee zur Verwendung nach rechts oder links auf
Troyes-Vendeuvre vorgehen sollte. Man hatte bei der O.H.L. die bis-
herigen Operationsziele preisgegeben, da in zunehmendem Maße mit
einer Bedrohung des deutschen rechten Flügels von Paris her gerechnet
wurde. Die 1. Armee hätte in Ausführung dieses Befehls zurückgehen
müssen. Ihre Führung aber, eine möglicherweise von Paris her dro-
hende Gefahr nicht so tragisch nehmend, hielt an dem einmal gesteckten
Ziele, in rücksichtsloser Verfolgung den vor der Front der 2. Armee an-
genommenen Feind zu fassen, fest. Die 2. Armee wollte zwar der Wei-
sung der O.H.L. nachkommen, drang aber mit den entsprechenden Wei-
sungen an die Korps nicht überall rechtzeitig genug durch, und die
3. Armee ließ sich weder durch das eine noch durch das andere von dem
für notwendig erachteten Ruhetag abbringen. Drei Feldherrn, drei
Wegel E i n Mann, e i n Feldherr, e i n Führer im wahren Sinne des
Wortes, der von hoher Warte genial die Gesamtlage meistert und mit
eisernem Willen auch Armeeführer in seinen Bann zieht, ist dem deut-
schen Heere auf seinem Schicksalswege in diesen nach Entscheidung
rufenden Tagen nicht gegeben! —
Daß man die Marneschlacht schildern kann, ohne die Führung der
Obersten Heeresleitung zu berühren, ist unzweifelhaft ihr trübstes Cha-
rakteristikum! Das Marnedrama wird unter dem Gesichtspunkt der Be-
wertung dieser höchsten Führung schlechthin zu einer Tragödie, deren
Einzelheiten in dem Werke des Reichsarchivs „Der Weltkrieg 1914—18"
(3. und 4. Band) sorgfältig dargelegt sind. Weit hinter der Front sich
aufhaltend, vermag die O.H.L. kein zutreffendes Bild von dem ge-
waltigen Ringen zu gewinnen, geschweige denn einen Einfluß zu
nehmen. Auch die viel umstrittene Sendung des Oberstleutnants
Hentsch, der, mit weitgehenden Vollmachten des Chefs des General-
stabes versehen, gewissermaßen als Ersatz-Heeresleitung bei den Armee-
Oberkommandos die Rolle eines wahrhaft unheilvollen Schwarzsehers
spielte, kann historisch nur psychologisches Interesse erwecken. Wollte