Volltext: Das Marnedrama 1914 2. Teil [23/II. Teil] (Band 23 2. Teil / 1928)

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Das Ringen des X. A.K. am 7. September. 
Offz.Stellv. K u h l g a tz, 7./74, der am Südrand des Bois de la 
Branle lag, schreibt in seinen Aufzeichnungen: 
„Da kommt der Befehl: Regt. 74 sammelt sich in Soizy. Am Waldrand 
marschieren wir an Verwundeten vorüber. Sie bitten: „Nehmt uns mit!" Aber ich 
bin Soldat und kein Sanitäter, ich muß vorübergehen. Aus dem Walde 
schallen Schüsse, Notschüsse der Verwundeten, wer bringt Hilfe? Auf der Dorf- 
ftraße treffe ich den Re.gts.Abj., Lt. Biese, den immer elastischen, hoffnungs-- 
vollen, fröhlichen, zum erstenmal tief niedergeschlagen. Zum erstenmal wird 
mir klar, um was es geht. Kann es Niederlage fein, wo wir des Sieges gewiß 
sind? Rückzug, wo wir so weit in Frankreich sind, und uns noch kein fran- 
zösischer Infanterist mit Erfolg angegriffen hat?" 
Uffz. Friedrichs, M.G.K./73: 
„Da dämmerte mir eine furchtbare Erkenntnis. Es ging zurück! Warum 
um alles in der Welt diese Maßnahme?" 
Ähnlich beim Jnf.Regt. 91: 
„An diesen angesichts unserer günstigen GefechLslage völlig Unverstand- 
lichen Befehl vermochte zunächst niemand zu glauben; besonders Oberst v. S t o ck- 
Hausen äußerte starke Bedenken an der Richtigkeit. Da jedoch der Negis.- 
Adjutant die Lage der Nachbartruppen erläuterte, sah sich Oberst v. St. zur 
Ausführung des Befehls gezwungen. Aber dieses stieß auf Schwierigkeiten. 
Die todmüden Schützen mußten in dem fast undurchdringlichen Walddickicht und 
der stockdunklen Nacht fast einzeln geweckt und gesammelt werden. Schwer- 
verwundete mußten zurückbleiben und dem Gegner überlassen werden. Die 
Erregung auch unter den Mannschaften war unverkennbar. Wiederholt fragten 
mich die Leute: „Herr Hauptmann, was ist denn los? Warum müssen wir 
hier zurück? Haben wir etwa unsere Pflicht nicht getan oder steht unsere Sache 
schlecht? Wir wollen doch morgen früh wieder vorwärts und drauf und der 
Franzose ist doch jetzt schon ausgerissen!" (Hptm. v. Rosenthal, IL/91.) 
Bezeichnend für die Stimmung der Truppen im Abschnitt von Soizy 
ist die Schilderung von Major Bode (III./77), der während des 
erbitterten Kampfes stets in vorderer Linie gewesen war und das 
Schwerste mit durchlebt hatte: 
„Um Mitternacht ließ mich der Brig. Führer,, Oberst Gr. zuRantza u, rufen. 
Er stand auf der Dorfstraße und gab mir den Befehl, bis hinter St. Prix zurück- 
zugehen. Eine innere Stimme lehnte sich bei mir gegen diese Maßnahme auf, 
ich weigerte mich und bat darum, diesen Befehl nicht ausführen zu müssen, 
weil ich das Gefühl hätte, daß alles gut stehe, und keiner der vordersten Linie 
das Gefühl des Nichtmehrkönnens hätte. Traurig erwiderte mir der prächtige 
Graf Rantzau, daß es Befehl des A.OK. fei und ich gehorchen müsse. Mir ver- 
ursachte das einen Nervenchok und voll tiefen Grams gab ich die nötigen Be- 
fehle, tröstete noch die Verwundeten, daß sie abgeholt würden, sowie ich Fahr- 
zeuge fände." 
Im Abschnitt der Regimenter 78 und 73 gelang es, fast alle Ver- 
wundeten nach Corfolix und le Thoult zurückzuschaffen; an vielen Stellen
	        
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