Volltext: Flandern 1917 [27] (Band 27/1928)

10 
Höfen liegen. Neu und jung sind die Baumschößlinge auf den Wiesen, 
neu die Schilder, die an den Wegkreuzen stehen, neu ist alles, alles rings- 
um. Nichts ist da, was schon vor zehn Jahren hier gewesen wäre, hier 
und in Meesen, in Houthem, in Hollebeke, in Zandvoorde, Geluveld, 
Beselare, Zonnebeke, Passchendale, Poelkapelle, Langemark und in 
Bikschoote. 
Neu sind auch die zahllosen Reihen der weißen, rechteckigen, senk- 
recht aufgerichteten Grabsteine auf grünen, ummauerten Friedhöfen, 
hier und überall zwischen den Dörfern um Upern. Neu sind die In- 
schristen, die darein gemeißelt sind. Und alt ist nur, was darunter liegt. 
Heraustretend aus Wijtschate, in die flache Mulde hinabsteigend, 
die zwischen dem Dorf und Sankt Eloi sich ausdehnt, geht zur Rechten 
der Blick abwärts zum Dpern—Lys-Kanal, der von Comines nördlich 
auf Bpern zustrebt. Bon der „Herberg in den Jager" aus windet ein 
schüchternes Bächlein sich durch die Senkung, wässert ein paar Wiesen, 
näßt und nagt an dem Gewurzel im Grunde, wo einstmals richtige 
Bäume gestanden, schlängelt sich verwundert um einige zerbrochene, über- 
wucherte Betonklötze, die mitten aus Wiesen und Äckern emporragen, und 
verliert sich dann in der Richtung des Kirchturms von Hollebeke. Das ist 
der Roozebeek. Aber es wachsen noch keine Rosen wieder hier. 
Aus der „Herberg in den Jager" tönt heute fröhliches Gelächter zu 
einem Grammophon, das schnarrend und blechern den neuesten Schlager 
spielt. Deutlich vernimmt man aus rauhen vlämischen Bauernkehlen den 
Gesang, der die „Swiegermodder" zum Text hat. Sie klatschen dabei im 
Takt auf ihre Schenkel und klappern mit den Holzpantinen. Ihre 
Weiber wirbeln lachend im Kreise, daß die dreizehn Unterröcke nur so 
fliegen. Die Alten trinken bedächtig einen Kornschnaps und die Jugend 
verdrückt sich nach draußen an die Hinterwand, um heimlich eine Ziga- 
rette zu schmöken oder gar auf dem Rade den Alten zu entfleuchen nach 
Dpern, wo heute auf dem grooten Platz Kirmes ist. Schießbuden, Schiffs- 
schaukeln, die eiserne Jungfrau, die Dame ohne Unterleib, Karussell und 
das Raritätenkabinett, das für Jugendliche gesperrt ist. 
Ja, wenn es drinnen im „Jager" für einen Augenblick still ist, und 
wenn jemand für das Grammophon eine Platte wechselt, dann kann man 
leise durch den Abend das erregende Gewirr der zahlreichen Orchestrions 
und Drehorgeln vom grooten Platz her vernehmen. Der Klang kommt 
über die Höhe hinweg, die zwischen Sankt Eloi und Hollebeke gelagert 
ist, und auf deren Scheitel sich jetzt schon düster und abendlich der
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.