Volltext: Jildirim [4] (Ban 4/1925)

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Kultur vermischten sich befruchtend mit derjenigen der hetitischen Ur- 
bevölkerung und gab dem Gesamtbild seine Prägung. Auf Schritt und 
Tritt stößt der Reisende auf die stummen Zeugen eines vieltausend- 
jährigen geschichtlichen Entstehens und Vergehens, häufig dunkel und 
unenträtfelbar dem flüchtigen Blick, aber stets von neuem Gedanken 
und Vorstellung anregend. 
Lange ehe der erste Mensch, von Osten her vortastend, sich hier an- 
siedelte, war das Landgebiet des östlichen Mittelmeerbeckens der Schau- 
platz einer elementar-gewaltigen Bodenveränderung, eines ungeheuren 
Einbruches der Erdrinde, der, in der Hauptrichtung von Süden nach 
Norden verlaufend, zur Bildung des „Syrischen Grabens" führte, der, 
gegen die seitlichen Gebirgsmassive besonders des Libanon und Anti- 
libanon um 150V bis 2000m einsinkend, heute in dem Wadi el Araba, 
dem Toten Meer, dem Jordantal und der Beka seinen Ausdruck findet. 
Dieses Ereignis der Urzeit hat dem Lande bis zum heutigen Tage 
seinen klimatischen und dadurch bedingten wirtschaftlichen Charakter 
gegeben. Die Längsteilung ganz Syrien-Palästinas in einen schmalen 
fruchtbaren Küstensaum, zwei längslaufende rauhe Gebirgsmassive mit 
dazwischen ruhender Talsenke, die von der Beka*) mit 900 m Meereshöhe 
zum Toten Meer bis zu 394 m unter Null abfällt, die ungemein großen 
klimatischen Verschiedenheiten vom eisbedeckten Hermon bis zur sub- 
tropischen Flora bei Jericho im Jordantale — all das ist unmittelbar 
als die Folge jenes gewaltigen Einbruches der Vorzeit anzusehen. 
Noch in geschichtlicher Zeit und bis zur Gegenwart ist Syrien- 
Palästina von schweren Erdbeben heimgesucht worden. Die Ruinen Baal- 
beks sind sprechende Zeugen. Aleppo selbst wurde noch 1822 durch ein 
Erdbeben vollständig zerstört. Ich selbst erlebte während der Weih- 
nachtstage in Nazareth eine recht fühlbare wellenförmige Bewegung der 
Erdrinde, die die Deckenlampe ewem Uhrpendel gleich schwingen ließ und 
mit einem dumpfen Donner einherging. 
Am 18. Oktober 1917 trat ich die Ausreise von Aleppo an. Als 
Mitarbeiter begleiteten mich Stabsarzt Seiler als Chefarzt der 
Krankentransportabteilung, Stabsarzt W e i d a n z als beratender Hy- 
gienirer und der osmanifcheSanitätskapitän Murad Rami Bey, 
der mir für den Verkehr mit den türkischen Dienststellen unentbehrlich 
war. Für einen Teil meiner Reise konnte ich die Eisenbahn benutzen: 
in der Hauptsache aber war ich auf den Kraftwagen angewiesen. Die 
*) .Hochfläche zwischen Libanon n. Antilibanon, von Leonles und Orontes 
durchflössen.
	        
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