Volltext: Jildirim [4] (Ban 4/1925)

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der 7. Armee bereits am 14. September 1917 4790 Mann. Die derselben 
Armee ungehörige 50. Division hatte zu dem gleichen Zeitpunkte 2762 
Mann durch Fahnenflucht verloren. Und nicht anders war es bei den 
anderen Armeen. Das A.O.K. 6 meldete Ende Oktober, daß die Armee in 
den letzten sieben Monaten etwa 7000 Mann an Deserteuren verloren 
habe. Die Gefechtsstärken an der Palästina-Front aber waren in den 
letzten Tagen des Oktober, d. h. beim Einsetzen der großen englischen 
Offensive, nach den Feststellungen des deutschen Generalstabsoffiziers, 
Major v. P a p e n, fo schwach, daß einzelne Bataillone knapp 200 
Mann hatten. 
Die Fahnenflucht fraß wie ein unausrottbarer Krebsschaden an dem 
Mark des türkischen Heeres. Sie war das Ergebnis einerseits der finan- 
ziellen Erschöpfung der staatlichen Kassen, einer fehlerhaften Organisation 
der Verpflegung und wohl auch häufig mangelnder Fürsorge des tür- 
tischen Offiziers für seine Soldaten. Ferner fiel die hochgradige Kriegs- 
Müdigkeit der Mannschaften, die jahrelang ohne Urlaub, fern der Heimat 
und der Familie, unter den härtesten Entbehrungen, dezimiert von 
Seuchen und Hunger, still und klaglos Gesundheit und Leben opferten, 
meist ohne zu wissen wofür, schwer ins Gewicht. Wochenlange Bahn- 
transporte und Märsche boten reichlich Gelegenheit, sich von der Truppe 
zu entfernen. Hunger und Heimweh waren die Triebfedern ihres 
Handelns. Der anatolifche Bauer, das muß immer wieder hervorgehoben 
werden, stellt ein ganz hervorragendes Soldatenmaterial dar. Bei einem 
Besuche der unter dem Befehl des deutschen Majors Würth von 
Würthenau stehenden türkischen Nekrutendepots in Baalbek^) konnte 
man sich davon überzeugen, was deutsche Erziehung und persönliche Für- 
sorge an militärischer Ausbildung zu erzielen vermochte. Aber mit 
Resignation berichtete derselbe Major, daß ein großer Teil seiner aus- 
gebildeten Rekruten schon während des Transportes zur Front Kleidung 
und Waffen verkaufe und davonlaufe. 
Die Folge dieses Deserteur-Unwesens war eine Verseuchung des hin- 
teren Etappengebietes mit Banden von fahnenflüchtigen Plünderern und 
Räubern. Das stellvertretende A.O.K. 7 in Aleppo sah sich gezwungen, 
zur Sicherung der Verpflegung und Bekämpfung dieses Bandenwesens 
Truppen anzufordern, die ihm in der 2. Kauk. Kav.Brig. zur Verfügung 
gestellt wurden. Das bedeutete eine neue Schwächung der Front. 
Die von den türkischen Befehlsstellen gegen die Fahnenflucht er- 
griffenen Maßnahmen waren hart. Man begegnete zahlreichen Trupps 
*)50 km nördlich von Damaskus.
	        
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