Volltext: Jildirim [4] (Ban 4/1925)

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Strecke des Heimweges Konstantinopel, auch in den Augen und der Er- 
innerung manches Schwächlings ein unwiderstehlicher Magnet. Hier 
bot sich gleichzeitig große Sicherheit, lange Zeit der Front fernzubleiben. 
Wie sollte das aber werden, wenn die geschlossenen Formationen 
des Asienkorps erst eintrafen und die Strapazen des wirklichen Feldzuges 
im heißen Syrien einsetzten? 
Der Oberbefehlshaber war sich dieser drohenden Gefahr fehr bald 
bewußt und erließ einen Armeebefehl, der grundsätzlich anordnete, daß 
niemand, der binnen vier Monaten voraussichtlich wieder dienstfähig 
würde, über den Amanus hinaus nach Norden abgeschoben werden 
durste. Um einen solchen einschneidenden Befehl aber zu ermöglichen 
und ohne ungerechte Härten aufrechterhalten zu können, war es dringend 
notwendig, schleunigst an geeigneten Orten Genesungsheime einzurichten, 
die, klimatisch günstig gelegen, Aussicht boten, die in ihrer Gesundheit 
geschädigten deutschen Heeresangehörigen wieder dienstfähig zu machen. 
Es war nicht leicht, in dem heißen, kahlen und gänzlich waldlosen 
Nordsyrien einen geeigneten Platz für ein Genesungsheim zu finden. Vor 
allem mußte er malariafrei, wenigstens nachts kühl fein, überhaupt alle die 
klimatischen und örtlichen Eigenschaften besitzen, die allein imstande sind, 
den geschwächten Organismus mit neuer Lebenskraft zu versehen. Da- 
neben mußte bequeme Erreichbarkeit und Sicherstellung der Wirtschaft- 
lichen Bedürfnisse als Vorbedingung erfüllt fein. Der Oberbefehlshaber 
schlug die Stadt Ursa in Nord-Mesopotamien vor, die, angelehnt an die 
untersten Stufen des armenischen Hochlandes, von weitem vielleicht ge- 
eignet schien. Ich erhielt den Auftrag, die Frage an Ort und Stelle 
zu prüfen. 
Eine solche Erkundungsfahrt bedeutet in Syrien etwas anderes als 
in Deutschland oder auf den schönen Straßen Frankreichs. Konnte ich 
auch von Aleppo bis zur Station Tell Abjad die Bagdadbahn benutzen, 
so kam für den weiteren Weg vierzig Kilometer nordwärts durch die 
Wüste für mich nur der Kraftwagen in Betracht, der deshalb auf einem 
offenen Bahnwagen zugleich mit einigen Mann als meine persönliche 
Bedeckung verladen wurde. Verpflegung war mitzunehmen, Gastwirt- 
schaftsbetrieb oder Speisewagen kennt bislang die Bagdadbahn nicht. 
Die Fahrt geht in der Hauptrjchtung nordöstlich: bei Djerablus, 
dem alten Europus, überschreitet die Bahn auf weitgespannter Eisen- 
brücke den Euphrat, dessen Bett hier unregelmäßig mit einzelnen Armen 
und toten Tümpeln etwa vierhundert Meter breit ist. Am rechten Ufer 
auf steiler Erhebung, dem Bauschutt der Jahrtausende, erblickt man die
	        
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