Volltext: Jildirim [4] (Ban 4/1925)

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schützt. Die Schwerkranken liegen etwas seitab, sie winden sich in 
schmerzhaften Krämpfen, beschmutzt, auf steinigem Erdboden. Daneben 
liegen, hocken, sitzen andere, nicht Darmkranke, gänzlich gleichgültig, 
ebenso wie ihre Offiziere und Ärzte. Ein schmachvoller, niederdrückender 
Anblick: aber auch ich vermag nicht, wirksam einzugreifen: jeder Versuch 
würde an dem türkischen System scheitern. Ich muß mich begnügen, die 
Cholerakranken und -verdächtigen aus der Truppe herausziehen zu lassen 
und die neben dem Lager befindliche türkische Sanitätskompagnie zur 
Mithilfe aufzufordern. Aber diese Sanitätskompagnie verfügt außer 
dem Chefarzt über keinen weiteren Arzt! 
Ganz abgefehen von der Cholera war die 59. Division zurzeit voll- 
ständig unverwendbar. Sie erschien mir als ein Depot halb- oder ganz 
unentwickelter junger Menschen und von Krieg und Alter zermürbter 
Krüppel, alle zerlumpt und halb verhungert. Der Kommandeur wird 
durch einen deutschen Oberstleutnant in türkischer Uniform vertreten. In 
seinem Zelt unter einem Gebüsch mit leuchtenden Granatäpfeln sitzt er, 
vollkommen resigniert» mit sich und der Welt zerfallen. Er hat den 
Kampf aufgegeben mit dem zähbreiigen, passiven Widerstand des Türken 
und läßt nun die Dinge gehen, wie sie gehen. — Wird man mit solcher 
Division die Palästina-Front halten gegen gutgenährte, disziplinierte 
britische Truppen, die energischer Wille zum Sieg leitet? 
In tiefer Niedergeschlagenheit trete ich die Heimfahrt an. Es ge- 
hören gute Nerven dazu, alle diese wie in einer Kette Glied an Glied 
sich reihenden traurigen Eindrücke zu verwinden, und Mut, meinem 
Oberbefehlshaber über all' das Ungünstige fortlaufend Vortrag zu halten. 
Für ihn, den verantwortlichen Führer, bedurfte es noch unendlich mehr 
eines eisernen Herzens und eherner Tatkraft, um nicht angesichts dieser 
unglaublichen Schwierigkeiten das Vertrauen auf Erfolg zu verlieren. 
Der Chef des Stabes, auch zum ersten Male im heißen Klima, litt schwer 
unter dysenterischen Störungen, seine vorbildliche Pflichttreue und sein 
Ringen, die Arbeit nicht niederlegen zu müssen, verzögerte naturgemäß 
die Genesung. Die übrigen Mitarbeiter in leitenden Stellungen waren 
gleichfalls zum großen Teil infolge Hitze, Darmkatarrh, Fieber und 
Überarbeitung nicht im Vollbesitz ihrer Leistungsfähigkeit. Im ganzen 
Stabe waren eigentlich nur der Oberbefehlshaber und ich gesund, weil 
wir bereits beide durch früheren Aufenthalt in heißen Ländern gegen 
derartige Schädigungen gefeit waren. Wir ließen uns den gesunden, 
tatenfrohen Optimismus nicht rauben und fanden zwischen nie endender 
Arbeit immer doch wieder Gelegenheit, den Geist von allem äußerlichen
	        
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