Volltext: Jildirim [4] (Ban 4/1925)

53 
Zu offenen Konflikten mit den türkischen Sanitätsdienststellen kam 
es auch darüber nicht. Sie sind schon durch die Art des türkischen Na- 
turells unmöglich. Man mußte anerkennen, daß der Türke, rein äußerlich 
betrachtet, sich gut damit abfand, in der Heeresgruppe „Jildirim" die 
vorgesetzte Zentralstelle anzuerkennen. Wie er sich innerlich dazu stellte, 
ist eine andere Sache. Türkisches Phlegma, hochgradige Kriegsmüdigkeit, 
höchst mangelhafte Vorbildung, Lust an heimlichen Winkelzügen ver- 
einigten sich, hier und da mit mangelndem guten Willen gepaart, zu 
einem passiven Widerstand, den deutsche Energie nur zu häufig zu über- 
winden nicht imstande war. Unsere beiderseitigen Anschauungen über 
Offenheit, Pflichtbewußtsein und den kategorischen Imperativ, „du mußt, 
weil es das Vaterland verlangt", gingen himmelweit auseinander. Ja, 
man muß sagen, für diese genannten Forderungen hatte der Türke von 
1917 überhaupt ganz und gar kein Verständnis, so daß eine wirklich ge- 
meinsame Arbeit ausgeschlossen erschien. Dem wirkte auch die Zu- 
fammenfetzung des osmanifchen Sanitätskorps entgegen. Es bestand 
aus türkischen, armenischen und arabischen Elementen. Die beiden letz- 
teren wurden bei im übrigen gleichen Leistungen von den ersteren 
nicht für voll angesehen und nach Möglichkeit an die Wand gedrückt. Der 
lange Krieg hatte die Reihen der Sanitätsoffiziere sehr gelichtet. Nach- 
wuchs war nicht vorhanden. Die türkische Heeresverwaltung suchte sich 
dadurch zu helfen, daß sie die Truppenarztstellen im Notfalle mit Zahn- 
ärzten, Apothekern und Veterinären besetzte. Den leitenden deutschen 
Sanitätsoffizieren war es unter diesen Verhältnissen fast unmöglich, den 
Sanitätsdienst in einem ohnehin körperlich zermürbten und von Seuchen 
umdrohten Heere so zu regeln, wie es nach deutscher Auffassung nötig 
gewesen wäre. Aber auch die deutschen Ärzte waren Fremdlinge im 
Orient und mußten erst lernen, sich auf die Menschen und Dinge einzu- 
stellen. Der Begriff „Zeit" muß hier eine ganz andere Bewertung 
erfahren als irgendwoanders. Der Orient kennt gar nicht das Wort 
„Eile"; das liegt im Temperament des Orientalen und den tatsächlich 
riesigen Entfernungen, die im umgekehrten Verhältnis zur Schnelligkeit 
der Beförderungsmittel stehen. Mit diesem Maßstab muß man alles 
messen, vor allem auch die Entwicklung und den Verlauf der militärischen 
Operationen. 
Seit Iahren hatte die deutsche Regierung nicht ihre schlechtesten 
Kräfte in den Dienst des ottomanifchen Reiches gestellt, um eine Re- 
vrganifation der osmanifchen Armee nach deutschem Muster durchzu- 
führen. Der unvergeßliche v. d. Goltz Pascha sah in diesem Ziele
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.