Volltext: Jildirim [4] (Ban 4/1925)

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deutschen Siegeszug durch Serbien im Jahre 1915. Cuprija wird er- 
reicht, wo die Mörder des österreichischen Erzherzogspaares zu ihrer 
Blutarbeit abgerichtet wurden, von wo all' das Elend ausging, das 
dieser Krieg der Menschheit brachte. 
Nisch und Sofia. Bulgarische Kavallerieoffiziere, dandyhaft ange» 
zogen, die unvermeidliche Peitsche in der Hand, demimondäne Damen 
am Arm, machen sich, von „Knigges Umgang mit Menschen" noch nicht 
angekränkelt, auf dem Bahnsteig breit. Türkische weißbeturbante Hodjas 
geben dem osmanischen Gesandten Feti Bey das Geleit; die Nähe des. 
Orients macht sich mehr und mehr bemerkbar. 
Und wieder wird aus schwüler Nacht und kaltem Morgen ein neuer 
heißer Tag. Die weite Ebene Thraciens nimmt uns auf mit ihren zahl« 
reichen maulwurfsartig geformten künstlichen Erdhügeln, den Resten- 
altrömischer Kriegskunst, die hier durch Fanale von Hügel zu Hügel ihre 
Fernnachrichten übermittelte. Eine deutsche Ordonnanz in türkischer 
Uniform händigt mir die „Garnisonvorschristen für Konstantinopel" aus,, 
wohlparagraphiert. Der Dienst naht. 
Jetzt biegt der Balkanzug scharf nach Süden ab, um die historische 
Tschadalscha-Linie zu überschreiten, an der einst der bulgarische 21»* 
stürm seine Grenze fand. Eine erfrischende Seebrise bläst aus dem über» 
hitzten Wagen die Stickluft heraus. Und nun eröffnet sich dem spannen- 
den Blick das Ziel der Sehnsucht des Abendländers. die Aussicht auf den 
wirklichen Orient. Einer sich entschleiernden Odaliske vergleichbar ent- 
hüllt sich Reiz auf Reiz: Das Marmara-Meer mit der Perlenkette seiner 
Schlösser und Serails, der tiefblaue Bosporus, drüben die Küste Klein- 
asiens, überragt von dem umwölkten Gipfel des bithynischen Olymp — 
Konstantinopel! 
Unsagbar mächtig wirkt der zauberhafte Reiz der Stunde auf die 
durch lange Kriegsjahre mit Erz gepanzerte Seele und macht sie weich 
und empfindsam wie nie. Schlackengleich fällt das Erinnern an all' 
das furchtbare Erleben des Krieges von deinem Innern, ein schmerzhaft 
seliges Gefühl raunt dir zu: Genieße den Augenblick, er ist ein Höhepunkt 
in deinem Leben, nie kehrt er wieder! 
Nun schiebt sich der Balkanzug längs der zyklopischen Mauern des 
alten Byzanz, von denen eine Geschichte von zweitausend Jahren herab- 
schaut, in den Bahnhof des alten Stambul ein. Wir find am Ziel. 
Das lärmende Chaos des unverfälschten orientalischen Straßenlebens, 
nimmt uns auf. 
Ein neuer Abschnitt des Kriegslebens beginnt.
	        
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