Volltext: Jildirim [4] (Ban 4/1925)

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lingen, ausgewiesen aus Jaffa und den anderen Orten nahe der türkischen 
Front. Gleich einem Brigantennest in den Schluchten Kalabriens, so liegt 
Sased 8SV m über dem Meeresspiegel, angeklebt an eine Bergspitze, die 
von den Ruinen eines alten, aus dem 12. Jahrhundert stammenden 
Kastells überragt wird. Die Stadt wurde wiederholt bis in die Neuzeit 
von Erdbeben zerstört, die Trümmer der Häusrr liegen noch heute unbe- 
seitigt da. Die Aussicht von der Höhe der Stadt ist ihrer Lage ent¬ 
sprechend; ganz Galiläa liegt wie auf einer Landkarte ausgebreitet, in 
deren Berggewirr gleich einem bläulich schimmernden Opal der See von 
Tiberias aufleuchtet. 
Die türkische Etappe hat hier oben in Sased ein großes Genesungs- 
heim für innerlich Kranke eingerichtet, das moderne englische Kranken- 
haus bot eine gute Unterkunft. Doch was nützt klare Bergluft und 
strahlende Sonne dem kranken ausgepumpten Askar, wenn der Hunger 
neben ihm auf der Bettstatt hockt. Denn die weite Gebirgsabgeschieden- 
heit Safeds, die unwegsame Zufahrtstraße und der Mangel der Türken 
an Lastkraftwagen erschwert die Verpflegung des Lazaretts bis zur 
Unerträglichkeit; die nähere Umgebung der Stadt aber brachte nichts 
hervor, und auf den engen Gaffen des Judenviertels kratzten wieder ver- 
hungerte Kindergestalten im Sande nach kleinen Speiseabfällen. Hier 
Abhilfe zu schaffen, war eine meiner dringendsten Aufgaben. 
Am Nachmittag wieder am Ufer des Sees, dort, wo die Ebene von 
Genezara mit ihrem nördlichsten Zipfel von den grünen Fluten umspült 
wird. Ein brennendes Verlangen treibt dazu, die Stätten zu besuchen, die 
mehr wie alle andern der Schauplatz waren, auf dem Jesus unter dem 
Volk der Fischer lehrte, wirkte und Wunder tat. Still und fast menschen- 
leer ist die Landschaft, nur auf dem Wasser einzelne kleine urwüchsige 
Voote, in denen eingeborene Fischer eben dabei sind, die Netze einzuziehen 
mit der silberglänzenden, zappelnden Beute. Heute noch wie zu E h r i st i 
Zeiten stellt die nordwestliche Ausbuchtung des Sees hart neben der Ein- 
mündung des Jordans die unerschöpflichen Fischgründe dar, die der armen 
Bevölkerung ihren Unterhalt sichern. 
Wo aber ist Bethsaida hin, die Heimat der Jünger Petrus, An- 
dreas und Philippus? Wo lag Ehorazim, wo Kapernaum, die 
Stadt des Meisters, „seine Stadt"? „Wehe dir, Ehorazim, wehe dir,, 
Bethsaida und dir, Kapernaum, die du erhoben bist in den Himmel, du 
wirst bis in die Hölle hinuntergestoßen werden. Denn so zu Sodom die 
Taten geschehen wären, die bei dir geschehen sind, sie stände noch heutigen
	        
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