Volltext: Jildirim [4] (Ban 4/1925)

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des südlichen Bambus und Papyrus an unserem Blick vorüberziehen. 
Der grünbeleuchtete Spiegel des Sees ist heute still, nur belebt am Ufer 
von Flugwild aller Art; unbeweglich hockt der Kormoran auf spitzem 
Felsgestein, Taucher und Enten tummeln sich in buntem Durcheinander 
und verschwinden lautlos in der grünen Flut beim Nahen des Bootes. 
Dort drüben liegen die heißen Schwefelbäder, schon im grauesten Altertum 
von dem Pharao Thutmosis und Nebukadnezar wegen ihrer 
Heilkraft aufgesucht. Das Ufer des Sees mag damals ein anderes Bild 
von Kultur, Reichtum und Wohlleben gezeigt haben, als ein Kranz präch- 
tiger Landhäuser den See umgab und immergrüne Wälder an den jetzt 
kahlen, ausgebrannten Bergen emporzogen. Heute erblickt das Auge dort 
nur Trümmer und baufällige, von Schmutz starrende, aus weißem Kalk- 
stein errichtete Badehäuser, aber die Quellen springen in gleicher Weise 
wie vor Tausenden von Jahren und bringen den haut- und rheumatisch 
kranken türkischen Soldaten Linderung und Heilung. 
Von Samach reiste der Oberbefehlshaber mit der Bahn nach Damas- 
kus weiter. Ich selbst verblieb bei den Fliegern „208 m unter dem 
Meeresspiegel". Ihre am Ufer des Jordan eingerichtete Krankenstube 
wurde von mir besichtigt, und am Abend fuhr ich beim Mondenschein über 
den See zurück nach Tiberias. 
Der folgende Tag war der Besichtigung der Sanitätseinrichtungen 
gewidmet, die längs der Landetappenstraße zum Schutz des anmarschie- 
renden Asienkorps gegen die Cholera getroffen waren. Der Weg führt 
entlang der alten Via maris, jener geschichtlichen Verkehrsstraße zwischen 
Ägypten und Vorderasien, auf der in grauer Vorzeit der Warenaustausch 
zweier Erdteile sich abspielte und die Heeresmassen assyrisch-babylonischer 
Eroberer den lockenden Gestaden des Mittelmeeres zustrebten. 
Bei Tapcha biege ich nach Norden ab, die Berghänge des Sees 
gleichen smaragdgrünen Teppichen, in die der Frühling unzählige Sträuße 
von roten Anemonen, blauem Vergißmeinnicht und goldleuchtendem 
Ginster eingewebt hat. Die Sonne lacht und wärmt vom blauen Himmel, 
aus Busch und Rohr ertönt ein vielstimmiges Konzert der Frühlings- 
länger — das ganze ein Paradies des Friedens auf dem stillen Hinter- 
grund des Galiläifchen Meeres. 
Steil steigt die Straße an nach Sased, sie ist tief zerrissen durch die 
schweren deutschen Lastkraftwagen: rechts und links des Weges liegen 
Kadaver gefallener Maultiere und Kamele, türkische Truppen zogen hier 
<mf dem Marsch zur Front. Rosch Pina wird berührt, eine blühende 
jüdische Ackerbaukolonie, heute überfüllt von unglücklichen jüdischen Flücht- 
ZNdlrlm. 10
	        
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