Volltext: Jildirim [4] (Ban 4/1925)

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Meer wandern alte Juden hierher, um hier zu sterben und am jüngsten 
Tage ihrem Gott nahe zu sein. Fern im Norden aber ragt der große 
Hermon und die Kette des Libanon, leuchtend im makellosen weißen 
Schneegewande, dem Fusijama ähnlich auf den Seidenstickereien alt' 
japanischer Bilder. 
Wie eine grünblaue Glocke von Kristall wölbt sich der Himmel über 
diesem ganzen wunderbaren Landschaftsbilde mit einem jahreszeitlosen 
Gepräge, wie es die nordische Heimat nicht kennt; es ist kein Winter, denn 
es ist nicht kalt: kein Frühling, denn die Orangen und Zitronen reifen 
im dunklen Laub der Bäume, unter ihnen aber blühen Veilchen, Ans- 
monen und Narzissen; kein Sommer, denn die Sonne sengt nicht, wenn 
es auch heiß ist, und der Beduine geht im Schafspelz, feine fast nackten 
Kinder stehen am Wege, legen die Hand militärisch an den Lausekopf und 
sagen schnarrend ihr: „Morr jon!" Ein wunderbares Land! 
Das subtropische und im Winter paradiesische Klima von Tiberias 
forderte geradezu die Ausnutzung der Örtlichkeit zur Einrichtung eines 
Genesungsheimes für unsere deutschen Soldaten und die Erweiterung des 
dort bereits vorhandenen türkischen Lazaretts zur Entlastung von Naza» 
reth. Diese türkischen Lazarette, untergebracht in hervorragend schönen 
Gebäuden englischer und italienischer Stiftungen, boten das übliche Bild 
und das dem angemeldeten Besuch des Oberbefehlshabers entsprechende 
Schaustück: Fußboden und Wände noch mit den letzten Spuren des 
Schruppers und Wassereimers, Blumen auf Tischen und an den Betten, 
fette armenische Pflegerinnen geschickt und in zahlreichen Exemplaren auf 
die Säle verteilt. Der kranke und zerschossene Askar still, klaglos und 
Allah vertrauend mit untergeschlagenen Beinen auf der Lagerstatt, dan?< 
bar für jedes freundliche Wort, das ihm geschenkt wird. — 
Der dem General v. Falkenhayn gewidmete feierliche Empfang 
auf der Straße ist vorüber; die Schar der in ihren roten festlichen Kaf- 
tanen sich tummelnden Schuljugend umringt, froh, das eingeübte Festlied 
hinter sich zu haben, neugierig die Person des Oberbefehlshabers und 
begleitet uns, türkifch-arabifch und jiddisch-deutsch schnatternd, bis an das 
bereitliegende Dampfboot, das uns hinüberbringen soll nach Samach am 
Ausfluß des Jordans aus dem GalilSischen Meer. 
Die Fahrt auf dem See Genezareth ist eine Erinnerung fürs Leben. 
Still und ruhig zieht das kleine Boot feine Bahn. Wir stehen am Heck 
und lassen das grüne Ufer mit seinem dem subtropischen Klima ange» 
hörenden Pflanzenwuchs, einzelnen Palmen, dichtem Oleandsrgebüfch, 
den Mandel» und Feigenbäumen, Bananen und selbst einzelnen Gn»ppen
	        
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