Volltext: Jildirim [4] (Ban 4/1925)

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Djemal Pascha war nach Konstantinopel abgereist; sein Nachfolger 
sollte der sog. „kleine Djemal" mit seinem Amtssitz in Damaskus 
werden. Zeitlich fiel hiermit auch der Wechsel in der Person des deutschen 
Generalstabschefs bei der türkischen Heeresleitung zusammen; an die 
Stelle von Bronsart v. Schellendorf trat General v. Seeckt. 
Die Erweiterung des Befehlsbereiches der Heeresgruppe Jildirim 
machte auch eine Änderung in der Zusammensetzung der Dienststelle 
Äes Armeearztes notwendig: Ende Dezember wurde eine „türkische Ab- 
teilung" eingerichtet unter Leitung des deutsch-türkischen Sanitätsmajors 
Jörns und des osmanischen Sanitätshauptmanns Murad Bey. Sie 
dearbeitete die rein türkischen Sanitätsangelegenheiten und hat Gutes 
geleistet. Die von seiten der türkischen Kommandostellen der deutschen 
Befehlsstelle erwachsenden offenen und geheimen Widerstände nahmen 
immer peinlichere Formen an; es war nicht zu verkennen, daß man, 
je ungünstiger die Kriegslage sich gestaltete, um so mehr geneigt war, den 
deutschen Einfluß abzuschwächen und auszuschalten. Psychologisch schwer 
ZU erklären wie so vieles in dem Charakter unseres osmanischen Bundes-- 
genossen. General v. Falkenhayn nahm zuweilen Gelegenheit, 
mit seiner Umgebung in eine psychologische Analyse des türkischen 
Charakters einzutreten, so auch, als Mitte Februar das türkische 
XX. Armeekorps bei Jericho im ersten englischen Ansturm über den 
Jordan geworfen wurde. „Ich habe" — so bemerkte der Oberbefehls- 
Haber — „dem Kommandierenden General des XX. A.K. den Befehl ge- 
geben, die Stellung westlich des Jordan „bis zum äußersten" zu halten. 
Mr eine deutsche Truppe hätte das geheißen, „bis zum letzten Mann". 
Und was haben die Türken gestern für Verluste gehabt? 45Mann! 
Aber", so führte Falkenhayn weiter aus, „man kann das Verhalten 
Äes türkischen Kommandierenden Generals nicht einmal als bewußten 
Ungehorsam bezeichnen; denn er glaubt wirklich, seine Stellung bis zum 
äußersten gehalten zu haben, wenn er erst dann zurückgeht, wenn die 
Engländer angreifen. Dies find unüberbrückbare Gegensätze in den An- 
schauungen, die, wenn man die äußerste Konsequenz daraus zieht, es 
eben unmöglich machen, daß ein deutscher Oberbefehlshaber an der 
-Spitze türkischer Armeen steht." 
Was Falkenhayn hier im großen zum Ausdruck brachte, galt 
im kleinen auch für die beiderseitigen Anschauungen über die Aufgaben 
des Sanitätsdienstes; auch für mich ergab sich mehr und mehr die Tat- 
fache, daß ich gegen Windmühlen kämpfte und daß es eben unmöglich 
War, einen maßgebenden Einfluß auf den türkischen Sanitätsdienst zu ge-
	        
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