Volltext: Jildirim [4] (Ban 4/1925)

120 
schnellstens noch Nablus alles in Sicherheit zu bringen. Zum Glück istt 
augenblicklich die feindliche Fliegergefahr für den Ölberg gering, da 
Neumond ist; doch liegt für alle Fälle eine halbe Maschinengewehr^ 
kompagnie schußfertig in den Nebengebäuden. 
Die Stimmung im engeren Stabe ist tief gedrückt; Rückzug oder gar 
Flucht liegen dem deutschen Mann nicht, um so weniger, je unschuldiger 
man daran ist und je hilfloser man dem drohenden Unheil gegen- 
übersteht. Eine Erholung und Ablenkung des Geistes bietet die Stunde 
abends nach Tisch, die die älteren Herren des Stabes um den Ober- 
befehlshaber in der Romanischen Halle vereinte im Gespräch über die 
biblischen Ereignisse der Örtlichkeit und die Person Jesu. Ein geschichts- 
kundiger Offizier des Stabes hatte ausgerechnet, daß die Stadt Jeru- 
salem im Laufe der letzten dreitausend Jahre 36mal mit stürmender 
Hand erobert worden ist. Wir werden in allernächster Zeit Zeuge sein 
müssen, wie der Weltkrieg dieser langen Kette von Ereignissen ein neue^ 
Glied anfügen wird. 
Im Augusta-Viktoria-Stift bereitet man sich auf die kommenden un- 
vermeidlichen Ereignisse vor. Die tapfere Oberin, Schwester Theodora 
Barkhausen, wird bleiben und die Engländer erwarten: mehr wie 
diese fürchtet sie nach den« Abzüge der Deutschen die Roheit und 
Gewalttätigkeit des auf dem Ölberg häufenden arabischen Gesindels. 
General v. Falkenhayn gibt Befehl, das große Ölbild des deutschen 
Kaisers aus dem Rahmen zu schneiden, um es vor der Roheit der 
englischen Soldateska in Sicherheit zu bringen. Geld und sonstige 
Wertsachen des Stiftes werden dem spanischen Konsul, dem einzigen 
noch vorhandenen neutralen diplomatischen Vertreter — zwanzig 
Staaten gewährte er augenblicklich seinen Schutz — zugeführt. An 
die Offiziere des Stabes werden Karabiner und Patronen ausgegeben. 
Gleichzeitig wird der Goldbestand der Stabskaffe auf die einzelnen 
Offiziere zur Aufbewahrung verteilt, um ihn für alle Fälle vor dem 
feindlichen Zugriff zu sichern. 
Am 11. November schlug die Panik an der türkischen Front ihre 
Wellen bis nach Jerusalem und darüber hinaus. Seit Vormittag 
stand auf Anordnung des Oberbefehlshabers ein deutscher Generalstabs- 
offizier mit wenigen zuverlässigen türkischen Offizieren, Mannschaften 
und Maschinengewehren drüben am Skopu? an der von Jerusalem nach 
Norden führenden Straße, um die zurückflutenden Trümmer der 
8. Armee, die infolge Machtlosigkeit ihrer Offiziere bis zu diesem Grade- 
demoralisiert waren, mit Gewalt abzufangen und wieder der Front
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.